Scream
Auch sie hatte sich umgezogen und trug jetzt beigefarbene Shorts und ein weißes T-Shirt.
»Geht’s dir besser?«, fragte sie.
»Ein bisschen. Wo ist Rachel?«
»Immer noch bei Billings.« Jay Billings war ein pensionierter Schullehrer, zweiundsechzig Jahre alt und verwitwet; er passte nachmittags auf Rachel auf. Ebenso Ronnie Tedescos Männer.
Sag’s ihr.
Er wollte gerade beginnen, als ihr Blick auf das Glas in seiner Hand fiel. »Du hast wieder ziemlich zugelangt.«
»Nach Begräbnissen trinke ich immer. Blöde Angewohnheit.«
Jack las in ihren Augen die Worte, noch ehe sie ausgesprochen waren: »Du trinkst zu viel in letzter Zeit.«
»Ich habe Probleme mit dem Einschlafen.«
»Nimm dir den Nachmittag frei.«
»Ich muss noch jemanden treffen.«
»Wen?«
»Einen ehemaligen Profiler.«
»Ist er in der Stadt?«
Jack nickte. Er nahm seine Armbanduhr vom Bett und legte sie sich ums Handgelenk.
»Kann das nicht warten?« Ihre Frage klang wie eine Aufforderung.
»Nein.«
»Du solltest dich ein bisschen mehr um deine psychische Verfassung kümmern, Jack.«
Psychische Verfassung? Was soll das denn heißen?
»Seit Wochen schläfst du nicht mehr richtig durch«, sagte sie. »Wirfst dich unruhig hin und her und schleichst dann mitten in der Nacht aus dem Bett, um Kaffee zu trinken. Und jetzt greifst du wieder zum Alkohol.«
»So viel trinke ich nicht.«
Mach dir nichts vor.
»Doch, das tust du«, entgegnete sie bestimmt. »An dem Tag, als die Streifenbeamten von der Bombe getötet wurden, hast du eine ganze Flasche Crown Royal leer gemacht.«
Das konnte er nicht leugnen.
»Ich werde mich wieder zurückhalten, versprochen.« Er versuchte ein überzeugendes Lächeln.
Taylor war noch nicht fertig. »Und du … du kapselst dich ab. Ich weiß nicht, wie ich das sonst nennen soll.« Sie tadelte nicht, schien aber ernstlich besorgt. »Es ist wegen der Familien und wie sie gestorben sind, nicht wahr?«
»Nein.«
»Warum redest du nicht mit mir darüber?«
»Es gibt dazu nichts zu sagen.«
»Du jagst einen Serienmörder und willst mir weismachen, dass es darüber nichts zu sagen gibt?«
»Es ist keine Serie.«
»Die Zeitungen behaupten etwas anderes.«
»Alles nur Unsinn, wie immer. Ich habe dich für kritischer gehalten.«
»Was belastet dich dann so? Die Meldung in der Herald von heute Morgen?«
»Habe ich nicht gelesen.«
Er bemerkte, wie sehr sie unter Anspannung stand, und spürte, dass sie sich von ihm zurückzog. Es schien, als habe sie Angst vor ihm.
»Was ist, Taylor?«
»Es gab da eine Randnotiz – über deine Laufbahn als Profiler.«
Jack spürte sein Herz schneller schlagen. »Was für eine Randnotiz?«
»Uninteressant. Wichtiger ist …«
»Ich will wissen, was drinstand.«
Hör auf, warnte eine Stimme. Aber er wollte nicht aufhören. Er wollte seinem Ärger Luft machen.
Taylor errötete.
»Was stand drin, Taylor?«
Sie wich seinem Blick aus, räusperte sich und sagte: »Dass dich das F BI gefeuert hat, weil … weil Zweifel daran bestanden, ob du damals diesen Charles Slavitt wirklich aus Notwehr …«
Er starrte sie an. Weiße Funken explodierten auf seiner Netzhaut. Er fühlte sich wie gelähmt. Dahinter steckte der Sandmann. Dieses gottverdammte Tagebuch.
»Ich bin nicht gefeuert worden. Ich habe von mir aus den Dienst quittiert«, entgegnete er tonlos. Diese Klarstellung schien ihm wichtig zu sein.
»Was ist passiert?«
Er nahm das Handtuch vom Bett und wischte sich damit über das Gesicht. Obwohl es kühl war, schwitzte er.
»Darüber will ich jetzt nicht sprechen, Taylor. Ich muss dir etwas anderes sagen –«
»Das ist das Problem, Jack. Du rückst nie mit der Sprache heraus. Nie. Versuch dich mal in meine Lage zu versetzen. Ich sitze am Frühstückstisch und erfahre aus der Zeitung Dinge über meinen Freund. Dann höre ich Ähnliches in den Nachrichten. Jeder weiß Bescheid, doch ich habe keine Ahnung, was Sache ist. Ich hatte gehofft, dass du mich darüber aufklärst, aber du tust es nicht.«
»Wo ist die Zeitung?«
»Ich habe sie weggeworfen.«
»Wohin?«
»Weiß ich nicht mehr. Ist doch wohl auch nicht so wichtig. Was darin steht und was in den Nachrichten berichtet wird -«
»Was wird denn berichtet?«
»Nichts, was für mich von Belang wäre.«
»Warum kommst du dann darauf zu sprechen? Hör zu, ich muss dir etwas sagen –«
»Es passt mir einfach nicht, dass ich Informationen über meinen Freund aus fremden Quellen beziehe, weil er nicht mit mir
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