Scream
Rettung
(deiner selbst)
der nächsten Familie.
»Familie Nummer drei wartet auf Ihre Antwort«, bemerkte Fletcher.
»Was wollen Sie wissen?«
XXXI
Charles Slavitt«, sagte Fletcher. Er musterte das Weinglas, als ob sich aus der dunkelroten Flüssigkeit etwas Aufschlussreiches destillieren ließe. »Ein Schulabbrecher aus den Wäldern Vermonts, der seine prägenden Jahre in Trailer Parks verbrachte und von einer Mutter großgezogen wurde, die eine Vorliebe für billigen Whisky und gewalttätige Männer hatte.«
Das Rauschen der Brandung erfüllte die kühle, salzige Luft. Der Himmel war grau geworden, die Temperatur empfindlich gefallen. Ein Sturm zog auf.
»Sonderbar, dass der Sandmann einen solchen Loser an die Öffentlichkeit zerrt. Warum nicht Miles Hamilton? Der hätte doch gewiss mehr Appeal als ein arbeitsloser Autoklempner, der kleine Jungs verstümmelt.«
»Keine Ahnung.«
»Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass, wenn ich nur lange genug warte, sämtliche Gazetten in Neuengland darüber berichten. Übrigens, geht Ihre Freundin schon auf Distanz zu Ihnen?«
Den starrenden Blicken Fletchers ausgesetzt, hatte Jack den Eindruck, als huschten ihm Spinnen über die Kopfhaut.
»Es gab da einen Jungen, der aus Slavitts Scheune fliehen konnte«, fuhr Fletcher fort. »Einen Achtjährigen namens Darren Nigro, der von einem Spaziergänger aufgefunden wurde, rund zwanzig Kilometer entfernt und nur mit einer blutigen Unterhose bekleidet, auf deren Bündchen Superman-Bilder gestickt waren.«
Jack holte tief Luft. »So ist es.«
»Chucky hat sich offenbar böse vergangen an dem Knirps. Ihm an verschiedenen Körperstellen mit einem Bohrer Löcher ins Fleisch gebohrt und sogar drei Finger abgeschnitten. Erstaunlich, dass der Junge nicht verblutet ist.«
»Slavitt hat die Wunden mit einer Lötlampe ausgebrannt«, erklärte Jack.
»Woher wissen Sie, dass es eine Lötlampe war?«
»Slavitt hat seine Schweinereien auf Video aufgezeichnet.«
»Aha. Lassen Sie mich raten: Er hat diese Bänder griffbereit neben seinem Bett aufbewahrt, vielleicht auf einem Regal über der Nachtkonsole. Er hat die Sachen der Jungen gewaschen, gebügelt und fein säuberlich auf Bügel in seinen Kleiderschrank gehängt.«
Fletchers Spekulationen waren erstaunlich. »Woher wissen Sie das?«, fragte Jack.
»Sadistische Phantasien sind so vorhersehbar wie die Jahreszeiten. Haben Sie mit dem Jungen gesprochen?«
»Ich habe es versucht.«
»Hat er Antwort geben können?«
»Nicht verbal.«
»Katalepsie?«
»Etwas in der Art. Er reagierte, als seine Mutter ihn berührte.«
»Was ist passiert?«
»Er schrie.« Die Erinnerungen an seinen Besuch im Krankenhaus vor neun Jahren waren so klar wie schmerzlich.
»Haben Sie der Mutter einen guten Psychologen für den Jungen empfohlen?«
»Nein.«
»Warum nicht? Das lag doch auf der Hand.«
»Ich wusste, dass in einem solchen Fall nichts wirklich helfen kann, weder Therapie noch Medikamente, nicht einmal besonders liebevolle Aufmerksamkeit seitens der Familie oder von Freunden. Ein Blick auf die fehlenden Finger oder die Narben genügt, um den ganzen Schrecken wieder aufleben zu lassen …«
»Und so haben Sie beschlossen, den Mann, der diese Jungen gequält hat, zu jagen und zu töten.«
»Nein.«
»Aber Sie haben mit dem Gedanken gespielt. Welchen Grund hätten Sie sonst haben können, im Alleingang diese Scheune aufzusuchen?«
»Das sagen Sie.«
»Charles Slavitt war ein Loser durch und durch, ein Schwächling, der Angst vor seinem eigenen Schatten hatte. Als Sie in der Scheune auftauchten, hat er keine Anstalten gemacht, sich zu wehren. Er sah Sie mit der Waffe in der Hand und hat um Gnade gebettelt.«
Jack schaffte es nicht, diesen hypnotisierenden schwarzen Augen auszuweichen, die wie Pistolenmündungen auf ihn gerichtet waren.
»Sie fanden drei Jungen vor, in Hundekäfigen eingepfercht. Sie schrien, nicht wahr? Sie schrien, weil Chucky mit einem vierten Jungen im Raum nebenan war. Sie sahen diese Jungen, dachten an Darren Nigro, der verstümmelt und völlig verstört im Krankenhaus lag, und beschlossen, das Recht selbst in die Hand zu nehmen. Also haben Sie Ihre Waffe weggesteckt und nach dem Hammer gegriffen. Slavitt zu erschießen hätte Ihnen nicht gereicht. Sie wollten Ihre Wut an ihm austoben.«
Die Wahrheit, die Jack so lange für sich behalten hatte, kam ihm jetzt erstaunlich leicht über die Lippen:
»Ja. Ich habe ihn getötet.«
»Wie hat es sich
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