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Scriptum

Scriptum

Titel: Scriptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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deutete nach unten.
«Kilise suyun altında»,
verkündete er. Es klang ähnlich wie das, was der alte Mann aus dem Lokal gesagt hatte.
    «Şükran»,
entgegnete Tess.
    «Was hat er gesagt?»
    «Keine Ahnung.» Sie hockte sich auf den Rand des Bootes. «Aber ich schätze, das hier muss die Stelle sein.
Kilise
heißt bestimmt Kirche.» Sie blickte Reilly mit schief gelegtem Kopf an. «Was ist jetzt, kommst du?»
    Ehe er etwas erwidern konnte, hatte sie auch schon ihre Maske zurechtgerückt und ließ sich gekonnt rücklings in den Stausee
     kippen. Rüstem streckte anerkennend den Daumen hoch, eine neumodische Geste, die so gar nicht zu diesem alten Mann zu passen
     schien. Im nächsten Moment folgte Reilly ihr in das dunkle Wasser, wenn auch erheblich weniger elegant.

KAPITEL 58
    Als sie in das kalte Halbdunkel des Sees hinabtauchten, überkam Tess der vertraute Rausch, nach dem sie sich so sehr gesehnt
     hatte. Es lag etwas beinahe Mystisches in dem Wissen, dass sie womöglich bald Dinge zu sehen bekommen würde, die seit so langer
     Zeit keines Menschen Auge mehr erblickt hatte. Schon an Land konnte es ein Schwindel erregendes Gefühl sein, sich den Überresten
     einer längst untergegangenen Zivilisation zu nähern, die unter Sand- und Erdschichten verborgen die Jahrhunderte überdauert
     hatten. Noch stärker war das Gefühl, wenn die Fundstelle in tiefem Wasser lag.
    Dieser Tauchgang jedoch stellte alles in den Schatten, was Tess bisher erlebt hatte. Meist stand am Anfang einer Grabung oder
     eines Tauchgangs zwar die Aussicht auf eine große Entdeckung, aber letztendlich wurden die hochfliegenden Hoffnungen in der
     Mehrzahl der Fälle enttäuscht. Diesmal lag der Fall anders. Die Indizienkette, die sie zu diesem See geführt hatte, die Art
     der chiffrierten Botschaft und die Tatsache, dass Menschen zum Äußersten bereit waren, um das, was hier verborgen lag, in
     die Hände zu bekommen – all das deutete darauf hin, dass sie vor einer weitaus bedeutsameren archäologischen Entdeckung stand,
     als sie sich jemals ernsthaft erhofft hatte.
    Sie befanden sich nun in sechs Meter Tiefe und stiegenlangsam weiter ab. Tess hatte das Gefühl, als sei ihr Körper plötzlich bis in die letzte Pore zum Leben erwacht, was wohl
     teils der Kälte, teils der erwartungsvollen Spannung zuzuschreiben war. Sie blickte nach oben, wo das Sonnenlicht funkelnde
     Lichtreflexe auf die Wasseroberfläche zauberte. Die Unterseite des Bootes, mit dem der alte Mann sie hergebracht hatte, schwebte
     ruhig über ihr, von seichten Wellen umspielt. Das Wasser war überraschend klar für einen See, der im Grunde nichts anderes
     als ein gestauter Fluss war. Dennoch wurde es um sie herum rasch dunkler.
    Noch immer war kein Grund zu sehen. Tess schaltete ihre Tauchlampe ein. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe das Licht der starken
     Lampe mit voller Intensität die gespenstische Schwärze vor ihr durchdrang. Im Wasser tanzten kleine Schwebeteilchen, die von
     der Strömung langsam in Richtung Stauwehr getragen wurden. Tess warf einen raschen Blick zu Reilly, der neben ihr in die Tiefe
     sank. Gerade kam ein kleiner Schwarm Fische neugierig angeschwommen, der gleich darauf blitzschnell wieder in der Finsternis
     verschwand.
    Als Reilly nach unten deutete, bemerkte Tess, dass allmählich der Grund des Sees auszumachen war. Das Bild, das sich ihnen
     bot, wirkte auf den ersten Blick geradezu unheimlich: Trotz des Schlicks und der Sedimente von Jahrzehnten glich der Grund
     dieses Stausees nicht den Unterwasserlandschaften, die Tess von Tauchgängen zum Meeresboden kannte. Vielmehr sah er nach dem
     aus, was er war: ein überflutetes Tal, übersät mit Felsen und den Gerippen abgestorbener Bäume. Über alldem wucherten dicke,
     dunkle Algen.
    Tess und Reilly schwammen Seite an Seite, zogen Kreise, suchten den Grund ab, bis sie es als Erste entdeckte. Der alteMann hatte nicht zu viel versprochen: Vor ihnen, in dieser unwirklichen Landschaft kaum auszumachen, lagen die gespenstischen
     Überreste des Ortes.
    Anfangs sah Tess nur ein paar halb verfallene Steinmauern, doch nach und nach begann sie, Formen und eine größere Ordnung
     zu erkennen. Dicht gefolgt von Reilly schwamm sie weiter und konnte nun eine Straße und mehrere Häuser ausmachen. Wie Entdecker
     schwebten sie über einem fremden Land. Es war ein unwirklicher Anblick: Die unbelaubten Zweige toter Bäume schwankten in der
     sanften Strömung wie die Gliedmaßen gefangener Seelen, die

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