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Scriptum

Scriptum

Titel: Scriptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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anzusehen.
    Tess war bereits in eine ernste Unterredung mit dem jungen Mann vertieft, einem Ingenieur namens Okan. Er war klein und zierlich,
     mit dichtem, schwarzem Haar und einem buschigen Schnauzbart. An seinem Grinsen erkannte Reilly, dass der Charme seiner Begleiterin
     bereits jeglichen Widerstand gebrochen hatte. Zudem sprach Okan sogar ein wenig Englisch. Reilly verfolgte mit Interesse,
     wie Tess ihm erklärte, sie beide seien Archäologen, die sich für alte Kirchen interessierten, insbesondere für diejenige auf
     dem Grund des Sees. Okan berichtete, das Tal sei 1973 geflutet worden. Das erklärte, warum Tess den See nicht auf ihrer Karte
     gefunden hatte, denn diese war zwei Jahre älter. Inzwischen wurde dergrößte Teil der dichter besiedelten Küstenregion im Süden von hier aus mit Elektrizität versorgt.
    Die nächste Frage, die Tess an den Ingenieur richtete, ließ Reilly erstarren. «Sie haben doch sicher Tauchgerät hier, nicht
     wahr? Um die Staumauer zu überprüfen.»
    Okan war offenbar ebenso überrascht wie Reilly. «Ja, schon», stammelte er. «Warum?»
    Entschlossen versetzte sie: «Wir würden uns gern etwas davon ausleihen.»
    «Sie wollen nach dieser Kirche tauchen?», fragte Okan völlig verständnislos.
    «Ja», bestätigte Tess fröhlich und breitete die Arme aus. «Das Wetter ist doch ideal dafür, finden Sie nicht?»
    Der Ingenieur warf einen Blick zu Reilly, dann sah er den alten Mann an. Er schien nicht recht zu wissen, was er davon halten
     sollte. «Nun ja, wir haben einiges an Ausrüstung da, aber sie wird nur ein- oder zweimal im Jahr benutzt», erwiderte er zögernd.
     «Die Geräte müssten erst überprüft werden. Ich weiß nicht, ob   –»
    Tess fiel ihm ins Wort: «Das können mein Kollege und ich übernehmen. Wir machen so etwas ständig. Wenn Sie uns die Sachen
     zeigen würden?» Reilly warf ihr einen skeptischen Blick zu, den sie ungerührt erwiderte. Ihre Behauptung, sie beide seien
     geschulte Taucher, lag ihm schwer im Magen. Er wusste ja nicht, wie es mit ihr stand, aber er selbst beherrschte gerade mal
     die elementarsten Grundlagen. Trotzdem wollte er ihr nicht ihren Auftritt verpatzen, nicht hier, vor zwei Fremden. Er war
     neugierig, wohin ihre Entschlossenheit sie führen würde.
    Okan behagte die Vorstellung ganz offensichtlich nicht. «Ich weiß nicht, ich – eigentlich darf ich das gar nicht.»
    «Oh, ich bin sicher, es wird keine Schwierigkeiten geben», versicherte Tess lächelnd. «Wir unterschreiben natürlich eine Erklärung,
     dass wir das Ganze auf eigene Verantwortung unternehmen. Und selbstverständlich werden wir gern einen gewissen Betrag an   … die Betreibergesellschaft zahlen, als Leihgebühr für die Ausrüstung.» Die Pause vor «die Betreibergesellschaft» war perfekt
     bemessen. Wäre sie kürzer gewesen, hätte Okan sie womöglich überhört; wäre sie jedoch länger gewesen, so hätte er den plumpen
     Bestechungsversuch leicht als beleidigend empfinden können.
    Der kleine Mann musterte Tess einen Moment lang, dann bebte sein Schnurrbart ein wenig, und er zuckte die Schultern. «Also
     gut. Folgen Sie mir. Ich zeige Ihnen, was wir haben.»
     
    Eine schmale Stiege führte aus dem Büro in einen staubigen Lagerraum hinunter, der mit allerlei Ausrüstungsgegenständen voll
     gestopft und von einer flackernden, summenden Neonröhre matt erhellt war. In dem bläulichen Schein konnte Reilly ein Elektroschweißgerät
     ausmachen, Butangasflaschen, einen Oxy-Acetylenbrenner und in der hintersten Ecke einen Haufen Taucherausrüstung.
    Er überließ es Tess, sie in Augenschein zu nehmen. Die Art, wie sie die einzelnen Teile in die Hand nahm, zeigte, dass sie
     sich auskannte.
    «Nicht der neueste Stand der Technik, aber es wird reichen», stellte sie schulterzuckend fest.
    Einen Tauchcomputer hatte sie allerdings nicht gefunden, sie würden also ohne auskommen müssen. Sie entdeckte eine Tauchtabelle
     an der Wand und erkundigte sich bei Okan, wie tief der See sei. Er vermutete, die Tiefe liege beidreißig bis fünfunddreißig Metern. Stirnrunzelnd studierte Tess die Tabelle. «Uns bleibt nicht allzu viel Zeit unten. Wir
     müssen unseren Tauchgang möglichst genau über dem Dorf beginnen.» Wieder wandte sie sich an Okan und fragte, ob er jemanden
     kenne, der ihnen die genaue Stelle zeigen könnte.
    Der Ingenieur legte nachdenklich die Stirn in Falten. «Sie müssen mit Rüstem sprechen», sagte er schließlich. «Er hat in dem
     Dorf

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