Scriptum
und Reilly sah flüchtig, wie Tess Vance ins Lenkrad griff. Der Pick-up schlingerte
und krachte gegen die Stützmauer. Das Gewehr rutschte ihm aus der Hand, schlitterte über die Ladefläche und fiel scheppernd
auf die Fahrbahn. Entsetzt sah der Türke, wie es in der Ferne verschwand, und stürzte sich erneutauf Reilly. Dieser rollte sich instinktiv zurück, riss die Beine hoch und beförderte den Angreifer mit einem Tritt über die
Seitenwand der Ladefläche. Der Mann taumelte rückwärts über die Stützmauer und fiel die Landseite des Staudamms hinunter.
Sein Schrei ging im Motorlärm des Pick-up unter.
Sie hatten das Ende des Staudamms erreicht, und Vance steuerte wild, damit der Pick-up auf den holprigen Feldweg rollte, den
sie selbst am Morgen benutzt hatten. Hier waren sie vor dem Scharfschützen oben auf dem Hügel sicher. Angesichts der Beschaffenheit
des Weges musste Vance das Tempo nun erstmals drosseln.
Reilly ließ ihn noch ein paar Kilometer weiterfahren, bevor er auf das Dach des Führerhauses klopfte. Der Professor nickte
und brachte den Wagen zum Stehen.
KAPITEL 65
Reilly griff in den Wagen und riss den Zündschlüssel heraus. Dann besah er sich den Schaden. Der Toyota war verbeult und eingedellt,
hatte sich aber erstaunlich gut gehalten. Sie selbst waren glimpflich davongekommen. Von einigen Prellungen und dem pochenden
Schmerz in seinem linken Bein abgesehen, hatten sie alle nur Schnitte und Schürfwunden erlitten.
Die Tür öffnete sich quietschend, der Professor und Tess stiegen aus dem Auto. Beide sahen sie ziemlich mitgenommen aus. Bei
Tess hatte Reilly damit gerechnet, doch dass Vance so erschüttert wirkte, überraschte ihn. Was war mit ihm? In den Augen des
Mannes las er die gleiche Ungewissheit, die ihn selbst quälte. Das bestätigte die Zweifel, die er schon draußen auf dem See
empfunden hatte. Der erste Schuss, der den türkischen Gorilla traf, hatte bei Reilly die Alarmglocken schrillen lassen.
Vance hatte die anderen Reiter nicht getötet. Jemand anders steckte dahinter.
Aber wer?
Wer sonst wusste, worauf Vance es abgesehen hatte und, mehr noch, wer war bereit, dafür mehrere Menschen zu töten?
Vance wandte sich zu Tess. «Das Astrolabium …?»
Sie nickte benommen. «Es ist in Sicherheit.» Sie holte das Instrument aus dem Führerhaus. Vance nickte und schaute zu dem
Abhang, den sie hinuntergerast waren. Dann betrachtete er nachdenklich die einsamen Berge um sie herum. Reilly meinte in den
Augen des Professors eine gewisse Resignation erkannt zu haben, doch mittlerweile wirkte er wieder anmaßend und entschlossen.
«Was war da los?», fragte Tess und stellte sich neben Reilly.
«Alles in Ordnung?» Er untersuchte einen kleinen Kratzer an ihrer Stirn.
«Mir geht’s gut», sagte sie und schaute zu den Bäumen hoch, die sie wie ein riesiger Zaun umschlossen. Die Berge strahlten
eine unheimliche Stille aus, die nach dem Lärm umso eindringlicher wirkte. «Was zum Teufel ist hier los? Wer lauert uns auf?»
Zwischen den Bäumen war nichts zu entdecken. «Ich weiß es nicht.»
«Ach, mir fallen viele Leute ein, die nicht möchten, dass so etwas herauskommt», versetzte Vance. Ein zufriedenes Grinsen
huschte über sein Gesicht. «Offenbar werden sie nervös, also müssen wir nah dran sein.»
«Wir sollten machen, dass wir hier wegkommen.» Reilly deutete auf den Pick-up. «Na los.» Er schob Vance und Tess hinein.
Dann ließ er den Motor an, und der verbeulte Toyota rollte mit seinen drei verunsicherten und gedankenverlorenen Insassen
den Hang hinunter.
Als De Angelis den Pick-up über den Feldweg heranrasen sah, bereute er, den Landcruiser als Straßensperre aufgestellt zu haben.
Das laute Scheppern, mit dem der Kleinlaster gegenihren Wagen prallte, verhieß nichts Gutes, und seine schlimmsten Befürchtungen sollten sich bestätigen. Der rechte Kotflügel
und der Kühlergrill des großen Geländewagens waren völlig eingedrückt.
Mit diesem Wagen würden sie nicht mehr fahren können. Er riss die Heckklappe auf und wühlte in der Ausrüstung, dann schaltete
er ungehalten den GP S-Monitor ein. Der Cursor blinkte und zeigte keine Bewegung an. De Angelis warf einen wütenden Blick auf den kleinen Bildschirm. Die
Koordinaten passten zu Rüstems Schrottplatz, also befand sich der Ortungskontakt noch an der Tasche im Pajero, den Reilly
und Tess zurückgelassen hatten. Er musste einen anderen Weg finden, um sie in dem
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