Scriptum
ein Schauer
über den Rücken. Was er gehört hatte, klang wie ein Schuss, ganz sicher war er sich jedoch nicht.
«Captain? Tess? Ist da jemand?»
Keine Antwort.
Er schaute den Funker an, der an den Knöpfen und Schaltern des Steuerpults herumfingerte, den Kopf schüttelte und auf Türkisch
etwas zum Kapitän sagte.
«Das Signal ist weg», bestätigte Karakaş. «Sieht aus, als hätten sie genug gehört.»
Reilly schaute wütend auf die zuckenden Scheibenwischer, die nichts gegen den Regen ausrichten konnten. Die
Karadeniz
kämpfte gegen die zunehmende Wucht der Wellen. Alle redeten türkisch, doch Reilly ahnte, dass sich die Crew weitaus mehr auf
die tobende See als auf das andere Boot konzentrierte, das nach wie vor die Position zu halten schien. Obwohl sich die
Savarona
theoretisch in Sichtweite befand, tauchte sie nur dann und wann als verschwommener Umriss auf, wenn die Wellen beide Schiffe
gleichzeitig anhoben. Reilly ballte die Faust und dachte an Tess, die sich dort draußen auf dem vom Sturm gebeutelten Schiff
befand.
Karakaş und der Erste Offizier sprachen in knappen Worten miteinander, dann wandte sich der Kapitän mit sorgenvollem Gesicht
an De Angelis. «Die Sache gerät außerKontrolle. Fast fünfzig Knoten Windgeschwindigkeit, und wir können sie bei diesem Wetter kaum zwingen, uns zu folgen.»
De Angelis wirkte seltsam ungerührt. «Solange sie da draußen sind, machen wir weiter.»
Der Kapitän atmete schwer und blickte fragend zu Reilly. «Ich glaube, wir sollten nicht länger hier bleiben. Es ist zu gefährlich.»
«Was ist los mit Ihnen? Sind ein paar Wellen schon zu viel für Sie?» De Angelis deutete wütend in Richtung
Savarona
. «Die kneifen nicht den Schwanz ein. Die haben offenbar keine Angst. Sie etwa?», fragte er anzüglich.
Karakaş schien angesichts der Provokation seine Beherrschung zu verlieren. Er sah den Monsignore drohend an, bevor er seinem
nervösen Ersten Offizier einige Befehle zubellte. De Angelis nickte grimmig.
Der Regen trommelte wie Schrot auf die Windschutzscheibe, Böen prallten aus allen Richtungen gegen das Ruderhaus. Weiße Schaumflecken
wirbelten umher, vom Deck strömte Wasser.
Und dann tauchten sie auf.
Drei orange Bojen an Backbord, die wie Wale aus dem Wasser emporschossen.
Tess schaute angestrengt in den Regen hinaus, dann entdeckte sie eine längliche, geschwungene Form, die zwischen den Bojen
auf dem Wasser schaukelte. Die Vogelgestalt war unverkennbar und beschwor selbst nach Jahrhunderten und bei diesem höllischen
Wetter die Erinnerung an frühere Pracht und Herrlichkeit herauf.
Ein Leuchten ging über Vance’ Gesicht. Einen Momentlang spürte Tess ein Kribbeln, eine Welle der Erregung, die Angst und Schrecken überlagerte.
«Taucher runter», brüllte Vance dem Maat zu, der die blutige Wange des Steuermanns versorgte. Als er dessen Zögern bemerkte,
richtete er die Waffe auf den Mann. «Los. Vorher kehre ich nicht um.»
Eine hohe Welle krachte aufs Heck. Die
Savarona
kippte abrupt zur Seite, der Steuermann torkelte zum Steuerrad und stemmte sich dagegen, um das Schiff heraus aus der Gefahrenzone
und näher an die treibenden Bojen zu steuern. Er trotzte geschickt den Wellen und hielt die Position, während zwei Crewmitglieder
zögernd in Neoprenanzüge schlüpften und mit dicken Bergungskabeln bewaffnet vom Deck sprangen.
Tess schaute nervös zu, wie die Taucher sich zur Galionsfigur vorkämpften und nach quälenden Minuten endlich die Daumen hoben.
Der Maat betätigte einen Schalter, worauf die Winde auf Deck knirschend ansprang. Die Galionsfigur tauchte aus dem brodelnden
Wasser auf und schwang hinüber aufs Deck.
Vance runzelte die Stirn, er schien sich auf etwas im Westen, jenseits der hölzernen Form, zu konzentrieren. Attals Gesicht
leuchtete auf. Er ergriff Tess’ Arm und nickte in dieselbe Richtung. In der Ferne tauchte ein geisterhafter Umriss auf. Es
war die
Karadeniz
, die durch die mörderischen Wellen auf sie zustampfte.
«Weg hier», rief Vance und wedelte wild mit der Waffe.
Schweiß und Blut liefen dem Steuermann übers Gesicht, während er das Steuer umklammerte, damit sich das Schiff nicht breitseitig
in die Wellen legte. «Erst müssen wir die Taucher bergen.»
«Nein», tobte Vance, «das Patrouillenboot nimmt sie mit. Das wird sie aufhalten.»
Der Steuermann las die Windwerte vom Wetterradar ab und deutete auf die
Karadeniz.
«Wir können nur genau auf sie
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