Scriptum
Windes war der Lärm der Maschinenkanone
ohrenbetäubend.
Er holte aus und riss die Waffe herum. Die Leuchtspuren der Geschosse bewegten sich im Bogen von der
Savarona
weg und versanken im Meer. De Angelis löste eine Schulterstütze und packte Reillys Hand, bog seine Finger unnatürlich weit
zurück und versetzte ihm einen heftigen Schlag gegen die Wange. Reilly stolperte rückwärts über das schiefe, nasse Deck.
Er kam nicht wieder hoch, sondern rutschte immer weiter von De Angelis weg. Verzweifelt suchte er Halt und erwischte ein Seilende,
konnte sich hochziehen und daran festhalten, während das Patrouillenboot gefährlich über einen Wasserberg schlingerte. Als
es den Wellenkamm erreichte, hatte De Angelis wieder Position bezogen. Das Tauchschiff kam erneut in Sicht, und der Monsignore
feuerte eine weitere Salve ab. Entsetzt sah Reilly, wie Dutzende von Geschossen ihre tödliche Leuchtspur durch die Dämmerung
zogen. Flammen und Rauchwolken schossen empor, als die Kugeln das ungeschützte Heck der
Savarona
trafen.
Tess kauerte hinter einem Stahlkasten. Ihr Herz schlug bis zum Hals, als das Schnellfeuer der Kanone das Schiff traf. Bei
tausend Schuss pro Minute besaßen selbst kurze Salven tödliche Vernichtungskraft.
Die Geschosse rissen überall um sie herum das Deck auf, und plötzlich explodierte etwas tief im Inneren des Schiffes.Tess schrie auf. Schon quoll schwarzer Rauch aus dem Heck und aus den Schornsteinen neben der Tauchplattform. Das Schiff neigte
sich seitwärts, als hätte jemand auf die Bremse getreten. Der Motor war getroffen. Hoffentlich nicht auch der Treibstofftank.
Tess zählte die Sekunden, nichts geschah.
Doch auch so war die Lage verzweifelt.
Ohne Motor trieb das Schiff hilflos in der tobenden See. Die Wellen rammten die
Savarona
von allen Seiten wie einen Autoskooter.
Entsetzt sah sie eine riesige Wasserwand kommen, die über dem Brückenhaus zusammenschlug. Sie konnte sich gerade noch an eine
Rettungsleine klammern, bevor eine Wasserlawine über dem Deck niederging und die dicken Fenster des Cockpits eindrückte.
Sie schob sich das nasse Haar aus dem Gesicht und schaute zum zerstörten Ruderhaus empor. Keine Spur von Vance und den anderen.
Tränen stiegen ihr in die Augen, sie rollte sich zu einer Kugel zusammen und hielt die Leine weiter umklammert. Vom Patrouillenboot
war nichts mehr zu sehen.
Dann kam sie. Eine riesige Welle. So steil, dass sie beinahe senkrecht emporragte, davor ein ungeheures Wellental, das die
Savarona
aufzusaugen schien.
Sie traf das Schiff backbord.
Tess kniff die Augen zu. Sie konnten das Schiff weder in die Welle steuern noch fliehen; es war ja kein Steuermann mehr da.
Bei geschicktem Manövrieren wäre das Schiff immerhin aufrecht aus dem Wasser aufgetaucht, doch nun würde die Monsterwelle
sie mit voller Breitseite treffen.
Die Welle hob den 130 Tonnen schweren Stahlrumpf mühelos hoch und warf ihn um wie ein Spielzeugboot.
Reilly sah, wie die Geschosse am Heck einschlugen und schwarzer Rauch aufstieg. Er brüllte De Angelis an, doch der Monsignore
konnte ihn unmöglich hören.
Mit einem Mal fühlte er sich vollkommen erschöpft, erkannte aber gleichzeitig, was er zu tun hatte.
Er stemmte sich gegen die Reling, zog die Pistole, zielte und feuerte mehrmals. Ein roter Strahl spritzte aus dem Rücken des
Monsignore, er riss die Arme hoch und fiel vornüber auf die Maschinenkanone, deren Lauf ruckartig hochklappte und in den zornigen
Himmel zielte.
Reilly warf die Glock weg und hielt angestrengt Ausschau nach der
Savarona
, konnte im strömenden Regen aber nur die wilden Berge und schäumenden Täler des Meeres erkennen.
Irgendwie war es den Rettungsleuten gelungen, die Ausgesetzten an Bord zu holen, und das Patrouillenboot drehte ab. Die Motoren
liefen mit voller Kraft, um die
Karadeniz
so schnell wie möglich mit dem Bug in die Wellen zu drehen. Panik überfiel Reilly: Sie fuhren weg, weg von der
Savarona
.
Vorübergehend wurde die Sicht klar, und Reilly erspähte das gekenterte Tauchschiff, über dem die Wellen zusammenschlugen.
Keine Spur von Leben.
Er schaute zur Brücke, wo der Kapitän ihm gestikulierend bedeutete zurückzukommen. Reilly zeigte auf die
Savarona
, doch Karakaş winkte entschieden ab.
Reilly umklammerte mit weißen Knöcheln die Reling und ging fieberhaft die verbleibenden Möglichkeiten durch, doch im Grunde
konnte er nur eines tun.
Er sprang in das motorisierte
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