Scriptum
aufeinander prallen. Ihr müsst nach Westen fahren, Kurs», er schien eine Antwort einzuholen, «Kurs
zwei sieben null, wiederhole zwei sieben null. Wir holen euch ab und eskortieren euch nach Marmaris.»
Rassoulis schaute unsicher zu Vance, der sichtlich wütend war. Bevor Tess etwas sagen konnte, ergriff der Kapitän ihr Mikrofon.
«Hier spricht Georgios Rassoulis, Kapitän der
Savarona
. Wer sind Sie?»
Statisches Knistern, dann wieder Reilly. «Ich heiße Sean Reilly, FBI.»
Rassoulis blickte finster zum Professor hinüber. Vance stand reglos da, dann wich er ein paar Schritte zurück.
«Warum warnt das FBI ein griechisches Tauchschiff vor einem Sturm im Mittelmeer?»
Vance antwortete an seiner Stelle. «Sie sind wegen mir hier», meinte er gleichgültig. Da entdeckte Tess die Waffe, mit der
er auf Rassoulis zielte. «Ich glaube, wir haben von unseren FB I-Freunden genug gehört.» Mit diesen Worten schoss er zweimal auf das Funkgerät. Tess schrie auf, als Funkensprühten und Plastikteile herumwirbelten. Das Knistern verstummte.
«Können wir uns jetzt wieder unserer Aufgabe zuwenden?», zischte Vance mit kaum verhohlenem Zorn.
KAPITEL 76
Tess’ Körper wurde steif, ihre Füße waren wie festgenagelt. Sie konnte nur reglos in der Ecke des Ruderhauses stehen und Vance
beobachten, der sich Rassoulis drohend näherte und ihm befahl, mit der Bergung der Galionsfigur zu beginnen.
«Es ist sinnlos», entgegnete der Kapitän. «Wir können sie bei diesem Wetter unmöglich an Bord holen.»
«Drücken Sie den verdammten Knopf», beharrte Vance, «sonst mache ich es selbst.» Er funkelte Attal an, der noch immer am Steuerpult
des Tauchboots saß. Seine Finger umklammerten reglos den Joystick.
Der Techniker warf einen Blick zum Kapitän, und Rassoulis nickte leicht. Attal ging behutsam ans Werk. Auf dem Monitor schrumpfte
die Kameraaufnahme, als sich das Boot entfernte; dann füllten sich die orangefarbenen Bojen binnen Sekunden mit Luft. Zuerst
schien sich der Falke nicht zu bewegen, hartnäckig widersetzte er sich dem Sog der großen Bojen. Dann plötzlich löste er sich
wie ein entwurzelter Baumstamm in einem Sandwirbel vom Boden und stieg, eine Fahne aus jahrhundertealtem Sediment hinter sich
herziehend, nach oben. Attal steuerte
Dori
parallel daneben und hielt das verschwommene, unwirkliche Bild des emporschwebenden Falkenkopfes dabei auf dem Monitor fest.
Die Tür klapperte, ein Seemann kam von der Gangwayherein. Vance löste sich vom Monitor und sah unwillig hinüber. Rassoulis holte unvermittelt aus und wollte ihm die Waffe entreißen.
Tess schrie auf und wich zurück, während Attal und ein anderer Techniker aufsprangen, um ihrem Kapitän zu helfen. Da löste
sich mit einem lauten Knall ein Schuss.
Vance und Rassoulis verharrten einen Moment eng umschlungen. Als Vance zurücktrat, sank der Kapitän zu Boden. Blut quoll aus
seinem Mund, die Augen waren verdreht, und man sah nur noch das Weiße.
Entsetzt schaute Tess auf den Körper, der noch einmal zuckte und dann erschlaffte. «Was haben Sie getan?», brüllte sie. Sie
sank neben Rassoulis auf die Knie, horchte auf Atemzüge, tastete nach dem Puls.
Nichts.
«Er ist tot! Sie haben ihn umgebracht!»
Attal und die anderen Seeleute waren wie gelähmt. Dann schoss der Steuermann reflexartig auf Vance zu und griff nach der Waffe.
Verblüffend flink schlug Vance ihm den Lauf ins Gesicht, sodass der Mann zu Boden stürzte.
«Holt mir den Falken, dann können alle nach Hause», befahl Vance. «Sofort.»
Zögernd machten sich der Erste Offizier und Attal daran, die Bergung vorzubereiten. Die Anweisungen, die sie sich zuriefen,
nahm Tess nur wie durch einen Schleier wahr. Sie konnte die Augen nicht von Vance lösen. Das war nicht mehr der Gelehrte,
dem sie vor so vielen Jahren begegnet war, und auch nicht der gebrochene, getriebene Mann, mit dem sie diese Irrfahrt angetreten
hatte. In seinen Augen erkannte sie die kalte, distanzierte Härte, die sie schon am Abend des Überfalls im Museum bemerkt
hatte. Schon damals hatte sieihr Angst gemacht, und jetzt, angesichts des Toten, der neben ihr auf dem Boden lag, verspürte sie blankes Entsetzen.
Noch einmal schaute sie auf Rassoulis’ reglosen Körper. Mit einem Mal dachte sie an ihre Tochter. Sie fragte sich, ob sie
sie jemals wieder sehen würde.
Reilly fuhr herum, als Rassoulis’ Stimme abbrach und nur noch statisches Knistern aus dem Funkgerät kam. Ihm lief
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