Scriptum
vos liberabit›.»
Reilly schaute sie fragend an, also klärte sie ihn auf. «Das heißt: ‹Die Wahrheit wird euch befreien.› Ich habe ein bisschen
recherchiert. Es ist zwar eine ziemlich geläufige Redensart, aber zufällig sind diese Worte auch über dem Portal einer Templerburg
in Südfrankreich eingemeißelt.»
Tess konnte sehen, dass er über ihre Worte nachdachte, wurde aber nicht recht schlau aus seiner Miene. Sie griff nach ihrer
Tasse und trank den Rest ihres Kaffees aus, der inzwischen kalt war.
«Klingt vielleicht unerheblich, ich weiß, aber auch nur, solange man sich nicht vergegenwärtigt, wie viele Menschen sich glühend
für die Templer interessieren. Ihre Ursprünge, ihre Aktivitäten, woran sie geglaubt haben, ihr gewaltsames Ende, all das ist
von Geheimnissen umwittert. Die Schar ihrer Anhänger ist riesig. Unglaublich, wie viele Bücher und Materialien ich zu dem
Thema gefunden habe, und ich habe gerade erst an der Oberfläche gekratzt. Einfach phänomenal. Und jetzt kommt’s. Ausgangspunkt
der Spekulationen ist gewöhnlich der Umstand, dass ihr sagenumwobener Reichtum nie gefunden wurde.»
«Ich dachte, deswegen hätte der französische König sie verhaften lassen», bemerkte Reilly.
«Darauf hatte er es abgesehen, stimmt. Aber er hat eben nie etwas gefunden. Und auch sonst niemand. Kein Gold, keine Juwelen.
Nichts. Und doch war bekannt, dass die Templer einen phänomenalen Schatz angehäuft hatten. Ein Historiker behauptet, die Templer
hätten bei ihrer Ankunft im Heiligen Land 148 Tonnen Gold und Silber in und um Jerusalem herum gefunden, noch bevor es mit den Spenden aus ganz Europa losging.»
«Und niemand weiß, was daraus geworden ist?»
«Dazu gibt es eine weit verbreitete Theorie. Demnach haben in der Nacht bevor alle Templer verhaftet wurden, vierundzwanzig
Ritter den Tempel in Paris mit einer Anzahl schwer beladener Fuhrwerke verlassen und sind zum Atlantikhafen von La Rochelle
entkommen. Dort sind sie angeblich auf achtzehn Galeeren davongesegelt, und zwar auf Nimmerwiedersehen.»
Reilly dachte kurz darüber nach. «Sie wollen also andeuten, die Bande im Museum hatte es hauptsächlich auf die Chiffriermaschine
abgesehen, um mit ihrer Hilfe irgendwie dem Templerschatz auf die Spur zu kommen?»
«Schon möglich. Die Frage ist nur, woraus genau bestand dieser Schatz? Aus Goldmünzen und Schmuck? Oder war es etwas anderes,
etwas mehr Esoterisches, etwas, das schon …», sie zögerte kurz, «eine gewisse geistige Aufgeschlossenheit erfordert?» Gespannt wartete sie seine Reaktion ab.
Reilly grinste spitzbübisch. «Ich habe noch nicht die Flucht ergriffen, oder?»
Sie neigte sich vor und senkte unwillkürlich die Stimme. «Viele dieser Theorien behaupten, die Templer waren Teil einer uralten
Verschwörung, die das Ziel verfolgte, ein bestimmtes Geheimwissen zu entdecken und zu bewahren. Vieles kommt dafür in Frage.
Der Legende nach hüteten sie viele heilige Reliquien – ein französischer Historiker glaubt sogar, der einbalsamierte Kopf
Jesu habe sich in ihrem Besitz befunden –, aber eine Theorie, auf die ich immer wieder gestoßen bin und die wesentlich stichhaltiger scheint als die anderen, besagt,
dass es irgendwie mit dem Heiligen Gral zu tun hatte. Wie Ihnen vermutlich bekannt ist, handelt es sich dabei nicht unbedingt
um ein wirkliches Gefäß oder irgendeine Art Kelch, aus dem Jesus vermeintlich beim letztenAbendmahl getrunken hat. Genauso gut könnte es ein bildhafter Verweis auf ein Geheimnis sein, das sich um die tatsächlichen
Ereignisse um Jesu Tod rankt und um das Fortbestehen seiner Nachkommenschaft bis ins Mittelalter.»
«Die Nachkommenschaft von Jesus Christus?»
«So ketzerisch das klingt, diese Theorie – die sehr viele Anhänger hat, glauben Sie mir – behauptet, Jesus und Maria Magdalena
hätten ein Kind gehabt – vielleicht sogar mehrere –, das vor den Römern versteckt und im Verborgenen großgezogen wurde, und dass die Nachkommenschaft Jesu ein seit zweitausend
Jahren streng gehütetes Geheimnis ist. Alle möglichen dunklen Geheimgesellschaften beschützen demnach seine Nachkommen und
geben ihr Geheimnis nur einem auserwählten Kreis von ‹Illuminati› weiter. Leonardo Da Vinci, Isaac Newton, Victor Hugo, so
ungefähr jeder, der im Lauf der Jahrhunderte Rang und Namen hatte – sie alle sollen diesem Geheimbund angehört haben, dessen
Aufgabe der Schutz der heiligen
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