Scriptum
tausend Jahre zuvor vor den Legionen des Titus verborgen hatten.»
Tess schöpfte Hoffnung. Endlich schien er bereit, ihr Glauben zu schenken. Ihre Augen strahlten vor Eifer. «Genau. Tatsache
ist, dass sie neun Jahre abtauchen, dann Knall auf Fall auf den Plan treten und es unwahrscheinlich schnell zu Reichtum und
Ansehen bringen, mit rückhaltloser Unterstützung durch den Vatikan. Vielleicht haben sie dort irgendetwas gefunden, vergraben
unter dem Tempel, das all dies ermöglicht hat. Etwas, das den Vatikan veranlasste, sich förmlich ein Bein auszureißen, um
sie bei Laune zu halten – und ein Beweis dafür, dass Jesus Vater von einem oder mehreren Kindern war, würde da ganz gewiss
ins Bild passen.»
Reilly runzelte skeptisch die Stirn. «Moment mal, Sie glauben, die haben den Vatikan erpresst? Ich dachte, sie waren Soldaten
Christi? Könnten sie nicht etwas gefunden haben, worüber der Vatikan so entzückt war, dass der Papst beschloss, sie für ihre
Entdeckung zu belohnen?»
Sie verzog das Gesicht. «Hätten sie das in dem Fall nicht aller Welt kundgetan?» Nun schien sie selbst ein wenig verwirrt.
«Ich weiß, ein Stück fehlt mir noch zu diesem Puzzle. Immerhin haben sie ja dann zweihundert Jahre für die Christenheit gekämpft.
Aber ein wenig rätselhaft ist das schon, das müssen Sie zugeben.» Sie musterte ihn kurz schweigend. «Also, was meinen Sie,
ist da irgendetwas dran?»
Reilly wog sorgsam die Informationen ab, die sie ihm so eifrig geliefert hatte. So lachhaft sich das alles auch anhörte, er
konnte es nicht einfach so abtun. Der Überfall auf das Museum verfolgte eindeutig irgendeine komplett übergeschnappte Zielsetzung;
diese aufwändige Inszenierung war mehr als ein x-beliebiger Raubüberfall, so viel stand fest. Radikale und Extremisten, das
war bekannt, verschrieben sich oft irgendeiner Mythologie, einer fixen Idee, die sie sich völlig zu Eigen machten; solche
Mythologien konnten sich nach und nach zu einem Wahn auswachsen, bis ihre Anhänger jeden Realitätsbezug verloren und völlig
ausscherten. War dies das Bindeglied, nach dem er suchte? Die Templerlegende lud jedenfalls zu wahnhafter Verzerrung geradezu
ein. War es denkbar, dass jemand so besessen war vom schrecklichen Schicksal der Templer, dass er sich vollkommen mit ihnen
identifizierte? So sehr, dass er sich wie sie kleidete, in ihrem Namen Rache am Vatikan übte und vielleicht sogar versuchte,
ihren legendären Schatz aufzuspüren?
Reilly schaute Tess an. «Glaube ich, dass die Templer irgendein dunkles Geheimnis, gleich welcher Art, hüteten, das mit der
Frühzeit der Kirche zu tun hat? Keine Ahnung.»
Tess wandte den Blick ab. Es kostete sie sichtlich Mühe, ihre Enttäuschung zu überspielen. Aber Reilly war noch nicht fertig.
Er beugte sich vor. «Glaube ich, es könnte einen Zusammenhang zwischen den Templern und dem Vorfall im Metropolitan Museum
geben?» Er ließ die Frage kurz im Raum stehen, nickte kaum wahrnehmbar und lächelte schließlich. «Es dürfte sich auf jeden
Fall lohnen, das mal zu prüfen.»
KAPITEL 22
Gus Waldron hatte schon bessere Tage erlebt, das stand fest.
Er erinnerte sich dunkel, vor einer Weile schon mal aufgewacht zu sein. Wie lange das her war, wusste er nicht. Stunden, Minuten
– dann war er wieder eingedöst. Nun aber war er hellwach.
Er war übel zugerichtet, das wusste er. Mit Grausen dachte er an den Unfall zurück. Sein Körper fühlte sich an, als wäre er
gründlicher weich geklopft worden als ein Kalbsschnitzel beim Metzger. Und das ewige, nervtötende Gepiepse der Monitore war
auch nicht gerade beruhigend.
Dass er sich in einem Krankenhaus befand, ging aus dem Gepiepse und den anderen Geräuschen um ihn herum klar hervor. Er musste
sich allein auf sein Gehör verlassen, denn seine Augen, die noch dazu höllisch brannten, waren bandagiert. Er wollte sich
bewegen, aber es ging nicht. Irgendein Gurt war um seine Brust geschnallt.
Man hat mich ans Bett gefesselt
. Allerdings nicht sehr fest. Also ein Krankenhausgurt, nicht von den Bullen veranlasst. Gut. Er fuhr sich mit den Händen
übers Gesicht, ertastete Verbände und noch etwas anderes. Aha. Lauter Schläuche, an die man ihn angeschlossen hatte.
An Flucht war nicht zu denken, vorläufig jedenfalls nicht. Erst musste er in Erfahrung bringen, wie schlimm seine Verletzungenwaren, und wenn er hier rauswollte, würde er auf jeden Fall seine Augen brauchen. Bis dahin musste
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