Scriptum
er also versuchen, sich
mit den Bullen irgendwie auf einen Deal zu einigen. Aber was konnte er ihnen anbieten? Es müsste schon irgendwas Großes sein,
denn dass er diesen verflixten Wachmann geköpft hatte, sprach nicht gerade zu seinen Gunsten. Das hätte er wirklich besser
nicht tun sollen. Aber bei diesem Wahnsinnsauftritt vor dem Museum, hoch zu Ross in Prinz-Eisenherz-Montur, war ihm auf einmal
die Frage durch den Kopf geschossen, wie es wohl wäre, dieses Schwert auch mal zu benutzen. Und es hatte sich wirklich gut
angefühlt; das ließ sich nicht bestreiten.
Er könnte Branko Petrovic verpfeifen, das war eine Möglichkeit. Auf den Typen war er ohnehin sauer. Er hatte sich stur geweigert,
ihm zu verraten, wer ihn angeheuert hatte, und stattdessen rumgeschwafelt, wie genial das war, diese Idee mit den blinden
Zellen. Jetzt verstand Gus endlich den Grund dafür. Er war von Petrovic angeheuert worden, der von einem anderen angeheuert
worden war, der wiederum von irgendeinem anderen Arschloch angeheuert worden war. Mist, wie viele blinde Zellen mochte es
geben, ehe man bei dem großen Zampano angekommen war, auf den die Bullen es abgesehen hatten?
Die Krankenhausgeräusche wurden kurz lauter und dann wieder leise, als wäre die Tür geöffnet und wieder geschlossen worden.
Er hörte Schritte, die auf dem Boden quietschten. Jemand kam auf sein Bett zu. Dann nahm die Person, wer immer es auch sein
mochte, Gus’ Hand und legte ihm von innen die Fingerspitzen ans Handgelenk. Irgendein Arzt oder eine Krankenschwester, die
ihm den Puls fühlte. Nein, ein Arzt. Die Finger fühlten sich rau an, kräftiger als bei einerSchwester – rauer und kräftiger als bei der Krankenschwester seiner Träume zumindest.
Er musste herausbekommen, wie schlimm seine Verletzungen waren. «Wer ist das? Sind Sie der Doktor?»
Die Person antwortete nicht. Vielmehr schoben die Finger jetzt die Verbände hoch, mit denen sein Kopf bis über die Ohren umwickelt
war.
Gus wollte gerade zur nächsten Frage ansetzen, als ihm auch schon eine starke Hand auf den Mund gedrückt wurde und er gleich
darauf einen extrem schmerzhaften Stich im Hals verspürte. Trotz des Gurts zuckte er heftig am ganzen Körper zusammen.
Die Hand lag so fest auf seinem Mund, dass Gus nicht schreien konnte, nur gedämpft wimmern. Eine jähe Hitze breitete sich
in seinem Hals aus, rings um die Kehle. Dann löste sich nach und nach der Griff der Hand auf seinem Mund, bis sie schließlich
weggezogen wurde.
Auf einmal spürte er warmen Atem, der an sein Ohr drang. Ein Mann flüsterte sehr leise hinein.
«Die Ärzte haben angeordnet, dass Sie erst in einiger Zeit vernommen werden dürfen. Aber so lange kann ich nicht warten. Ich
muss wissen, wer Sie engagiert hat.»
Was zum Teufel …?
Gus versuchte sich aufzurichten, aber der Gurt hinderte ihn daran. Außerdem wurde eine Hand gegen seinen Kopf gedrückt, damit
er still hielt.
«Beantworten Sie meine Frage», sagte die Stimme.
Wer war das? Ein Bulle konnte es nicht sein. Irgendeine Drecksau, die sich einen Anteil von dem Zeug erhoffte, das er in dem
Museum hatte mitgehen lassen? Aber was sollte dann die Frage, wer ihn engagiert hatte?
«Reden Sie.» Die Stimme war zwar immer noch leise, aber jetzt merklich schärfer.
«Leck mich», sagte Gus.
Wenigstens hätte er das gern gesagt. Sein Mund formte die Silben, und er hörte sie in seinem Kopf. Aber er bekam keinen Laut
heraus.
Scheiße, was ist mit meiner Stimme passiert?
«Ah», flüsterte die Stimme. «Das ist die Wirkung des Lidocain. Nur eine kleine Dosis. Ausreichend, um Ihre Stimmbänder zu
betäuben. Zu ärgerlich, dass Sie nicht sprechen können. Andererseits können Sie so auch nicht schreien.»
Schreien?
Die Finger, die eben so behutsam seinen Puls gefühlt hatten, legten sich jetzt auf seine linke Hüfte, genau auf die Stelle,
wo ihn die Kugel des Bullen getroffen hatte. Gleich darauf drückten die Finger plötzlich zu, mitten in die Wunde. Fest.
Schmerz durchflutete seinen Körper, es fühlte sich an, als würde er von innen mit glühenden Eisen verbrannt, und er schrie
auf.
Lautlos.
Ehe Gus vor Schmerz die Besinnung verlieren konnte, ließ der Druck auf die Wunde nach. Speichel sammelte sich hinten in seiner
Kehle, er hatte das Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen. Dann spürte er wieder die Hände des Mannes und zuckte ängstlich
zusammen. Doch diesmal war die Berührung ganz
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