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Scriptum

Scriptum

Titel: Scriptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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sanft.
    «Sind Sie Rechts- oder Linkshänder?», fragte die Stimme leise.
    Gus war mittlerweile schweißgebadet. Rechts- oder Linkshänder? Was soll das jetzt wieder, verdammt? Matt hob er dierechte Hand und spürte gleich darauf, wie ihm etwas zwischen die Finger geschoben wurde. Ein Bleistift.
    «Schreiben Sie mir die Namen einfach auf», verlangte der Mann, während er seine Hand mit dem Bleistift über einen Notizblock,
     wie es schien, führte.
    Gus fühlte sich schrecklich. Er konnte nichts sehen, er konnte nicht schreien, er war völlig abgeschnitten von der Welt. Warum
     half ihm denn keiner? Wo waren die Ärzte, die Schwestern, die Scheißbullen, Herrgott nochmal?
    Wieder gruben sich die Finger in das Fleisch um die Schusswunde herum und drückten zu, diesmal noch fester und länger. Unbeschreiblicher
     Schmerz durchflutete ihn. Jeder einzelne Nerv seines Körpers schien unter Strom zu stehen, während er sich wild gegen den
     Gurt aufbäumte und lautlos aufschrie vor Qual.
    «Das muss nicht die ganze Nacht dauern», stellte der Mann ruhig fest. «Geben Sie mir einfach die Namen.»
    Er kannte nur einen Namen. Den schrieb er jetzt auf.
    «Branko   … Petrovic?», fragte der Mann leise.
    Gus nickte hastig.
    «Und die anderen?»
    Gus schüttelte den Kopf, so gut es ging.
Mehr weiß ich nicht, verdammter Mist.
    Wieder spürte er die Finger, die sich in die Wunde drückten, fester, tiefer. Sie zusammenquetschten.
    Der Schmerz.
    Die lautlosen Schreie.
    Gottverfluchte Scheiße.
Gus verlor jedes Zeitgefühl. Es gelang ihm, die Adresse von Brankos Arbeitsplatz zu Papier zu bringen. Ansonsten konnte er
     nur immer wieder den Kopf schütteln und mit den Lippen das Wort «Nein» formen.
    Immer und immer und immer wieder.
    Schließlich, Gott sei Dank, merkte er, wie ihm der Bleistift aus den Fingern genommen wurde. Endlich glaubte der Kerl ihm,
     glaubte, dass er die Wahrheit sagte.
    Gus hörte leise Geräusche, die er nicht einordnen konnte. Dann spürte er, wie der Mann wieder den Rand des Verbandes seitlich
     an seinem Hals hochschob, und krümmte sich innerlich bereits. Diesmal aber fühlte er den Stich der Nadel kaum.
    «Nur noch ein Schmerzmittel für Sie», flüsterte der Mann. «Es wird Ihre Schmerzen lindern und Ihnen beim Schlafen helfen.»
    Gus merkte, wie ihn tiefe, bleierne Müdigkeit überkam und langsam seinen gesamten Körper erfasste. Was für eine Wohltat, dass
     seine Qualen und Schmerzen endlich vorüber waren. Dann kam ihm jählings die furchtbare Erkenntnis: dass er aus dem Schlaf,
     der ihn jetzt überwältigte, nie wieder aufwachen würde.
    Er geriet in Panik, wollte sich bewegen, aber sein Körper gehorchte ihm nicht mehr. Gleich darauf hatte er das Gefühl, sich
     auch gar nicht mehr bewegen zu wollen. Er entspannte sich. Egal, wohin es ihn jetzt verschlug – es konnte nur ein besserer
     Ort sein als die Gosse, in der er sein ganzes elendes Leben zugebracht hatte.

KAPITEL 23
    Reilly schälte sich aus dem Bett, streifte sich ein T-Shirt über und trat ans Fenster seiner im vierten Stock gelegenen Wohnung. Die Straßen waren wie ausgestorben. New York, die Stadt,
     die niemals schläft? Das schien nur auf ihn zuzutreffen.
    Er schlief häufig schlecht, aus einer ganzen Reihe von Gründen. Er konnte einfach nicht abschalten, was ihm seit einigen Jahren
     zunehmend zu schaffen machte. Die Fälle, an denen er tagsüber arbeitete, verfolgten ihn bis in den Schlaf. Das Einschlafen
     an sich bereitete ihm keine Probleme, weil ihm normalerweise vor Erschöpfung die Augen zufielen. Immer zur gleichen Zeit aber,
     gegen vier Uhr früh, war er auf einmal hellwach, und dann ging es los. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, sortierte und
     analysierte unermüdlich alle möglichen Hinweise und Daten, um den einen noch fehlenden Informationsschnipsel zu finden, der
     möglicherweise Leben retten konnte.
    Für gewöhnlich war er in diesen Stunden vollauf mit beruflichen Dingen beschäftigt, manchmal aber kamen ihm auch private Probleme
     in den Sinn. Dann verirrten seine Gedanken sich in Gefilde, die noch düsterer waren als die Schattenwelt, in die ihn seine
     Ermittlungen führten, und das löste meist quälende Angstzustände bei ihm aus.
    Vieles davon hatte mit seinem Vater zu tun, der sich erschossen hatte, als Reilly zehn Jahre alt war. An jenem Tag war er
     von der Schule nach Hause gekommen und ins Arbeitszimmer seines Vaters gegangen, wo er ihn wie üblich in seinem Lieblingssessel
     vorfand. Nur

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