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Scriptum

Scriptum

Titel: Scriptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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    Branko Petrovic gab sich redlich Mühe, aber umsonst. Er konnte sich einfach nicht auf die Arbeit konzentrieren. Dabei beanspruchte
     der Job hier im Reitstall nicht gerade seine ungeteilte Aufmerksamkeit. An den meisten Tagen erledigte er seine Arbeit – die
     Pferde versorgen, den Stall ausmisten – wie auf Autopilot, Tätigkeiten, bei denen sein gedrungener, muskulöser Körper immerhin
     gut in Schuss blieb. Unterdessen konnte er in aller Ruhe Pläne schmieden, Strategien entwerfen, Risiken abwägen. An normalen
     Tagen.
    Heute war das anders.
    Gus Waldron anzuheuern war seine Idee gewesen. Man hatte ihn aufgefordert, einen kräftigen, harten Burschen aufzutreiben,
     der reiten konnte, und da war ihm sofort Gus eingefallen. Na gut, dass Gus manchmal unberechenbar sein konnte, wusste er,
     aber damit, dass er einen Menschen köpfen würde, hätte er nie gerechnet. Himmel, so was brachten ja nicht mal diese verfluchten
     Kolumbianer! Jedenfalls nicht in aller Öffentlichkeit.
    Branko hatte ein mulmiges Gefühl. Am Morgen hatte er versucht, Gus anzurufen, ihn aber nicht erreicht. Er rieb sich über eine
     alte Narbe an der Stirn, die wieder zu schmerzen begonnen hatte, wie immer, wenn irgendetwas nicht nach Plan lief. Man hatte
     ihm Weisung erteilt, ihm geradezu befohlen,alles zu unterlassen, was irgendwie Aufmerksamkeit erregen könnte. Das hatte er auch Gus eingeschärft. Offenbar vergeblich,
     verdammter Mist. Ob er Aufmerksamkeit erregte, war momentan Brankos kleinste Sorge.
    Unvermittelt stieg Panik in ihm hoch. Es gab nur eine Lösung: Er musste schleunigst verduften, solange es noch ging.
    Er hastete durch den Stall und betrat eine Box, in der eine lebhafte zweijährige Stute übermütig mit dem Schweif nach ihm
     schlug. In einer Ecke der Box stand eine Tonne, in der Pferdefutter aufbewahrt wurde. Er nahm den Deckel ab, fuhr mit beiden
     Händen tief in das körnige Hartfutter, wühlte ein wenig herum und zog dann eine Tüte heraus. Nach kurzem Zögern griff er hinein
     und holte die glitzernde, über und über mit Diamanten und Rubinen verzierte Goldstatuette eines sich aufbäumenden Pferdes
     heraus. Nachdem er die Figur einen Moment lang ehrfürchtig betrachtet hatte, kramte er noch einen Kettenanhänger aus der Tüte,
     in Silber gefasste Smaragde. Keine Frage, der Inhalt der Tüte könnte sein Leben verändern. Wenn er sich Zeit ließ und umsichtig
     vorging, so viel stand fest, könnte er sich mit dem Erlös aus dem Verkauf dieser funkelnden Kostbarkeiten den Bungalow im
     sonnigen Florida kaufen, von dem er sein Leben lang geträumt hatte, der aber seit seiner Entlassung aus dem Polizeidienst
     in unerreichbare Ferne gerückt schien – und noch jede Menge andere Sachen.
    Er schloss die Pforte hinter sich, eilte den Gang zwischen den Boxen entlang und war schon beinahe an der Stalltür, als er
     ein Pferd ängstlich wiehern und mit den Hufen stampfen hörte. Ein zweites Pferd schloss sich an, dann ein drittes. Er drehte
     sich um und spähte den Gang hinab, konnte abernichts Ungewöhnliches entdecken. Trotzdem waren inzwischen alle Pferde im Stall unruhig geworden.
    Dann sah er es.
    Aus einer leeren Box ganz hinten im Stall kräuselten sich dünne Rauchfäden.
    Er rannte zum nächsten Feuerlöscher in der Mitte des Gangs, ließ die Tüte fallen, riss den Zylinder aus der Wandhalterung
     und hastete auf die leere Box zu, aus der mittlerweile dichter Rauch quoll. Er riss die Boxentür auf und sah, dass das Feuer
     in einem Haufen Stroh in der Ecke kokelte. Während er mit dem Feuerlöscher hastig die Flammen löschte, fiel ihm auf einmal
     ein, dass er vor weniger als einer Stunde in genau dieser Box das Stroh sorgsam mit dem Rechen auf dem Boden verteilt hatte.
     Einen Strohhaufen hatte er dort nicht hinterlassen.
    Branko stürzte aus der Box und sah sich argwöhnisch um. Lauschen war zwecklos, denn die Pferde veranstalteten mittlerweile
     einen Höllenlärm, wieherten panisch und keilten zum Teil wild gegen die Wände und Türen ihrer Boxen.
    Als er sich den Gang hinab in Bewegung setzte, sah er noch mehr Rauch, diesmal am entgegengesetzten Stallende. Verfluchter
     Mist. Irgendjemand befand sich offenbar mit ihm im Stall. Dann fiel ihm die Tüte ein. Auf gar keinen Fall durfte er sie zurücklassen,
     sein ganzes künftiges Leben hing davon ab.
    Er ließ den Feuerlöscher fallen, rannte zu der Tüte, hob sie vom Boden auf und hielt dann plötzlich inne.
    Die Pferde.
    Er konnte sie nicht einfach

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