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Scriptum

Scriptum

Titel: Scriptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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andere jetzt eine Kippe ausdrückte und zugleich automatisch nach der nächsten Zigarette griff.
     Eine Angewohnheit, die dem Monsignore von Anfang an zuwider gewesen war. Doch die Talente des Mannes machten sie reichlich
     wett.
    «Ich brauche Ihre Hilfe in einer speziellen Angelegenheit.» Er runzelte die Stirn. Eigentlich hatte er gehofft, niemand anderen
     hinzuziehen zu müssen. Sein Blick fiel wieder auf das Gesicht auf dem Bild. «Sie müssen für mich etwas zum Fall METRAID in
     der Datenbank des FBI ausfindig machen.» Nach einer kurzen Pause setzte er hinzu: «Diskret.»
    Die Antwort kam prompt.
    «Kein Problem. Das bringt der Krieg gegen den Terror mit sich: Kooperationsbereitschaft und Informationsaustausch sind das
     Gebot der Stunde. Was wollen Sie wissen?»

KAPITEL 32
    Tess war von einem der zahlreichen gewundenen Wege des Friedhofs abgebogen und ging nun einen schmalen Kiespfad entlang.
    Es war kurz nach acht. Um die Grabsteine herum standen die Frühlingsblumen in voller Blüte, und das sorgfältig gemähte Gras
     war nass vom Regen der vergangenen Nacht. Morgendunst zog in Schwaden um die Grabsteine und die Bäume.
    Über ihr flog ein einzelner Mönchssittich dahin, der die friedvolle Atmosphäre mit einem beklemmenden Ruf durchbrach. Trotz
     ihres Mantels und der milden Temperatur schauderte Tess ein wenig. Selbst in ungetrübter Stimmung hätte ihr ein solcher Gang
     zwischen Gräbern Unbehagen bereitet. Heute erinnerte dieser Ort sie an ihren Vater und daran, wie lange sie sein Grab nicht
     mehr besucht hatte.
    Sie hielt inne, um einen Blick auf den Lageplan zu werfen, den sie sich in dem Kiosk neben dem gewaltigen gotischen Portal
     besorgt hatte. Eigentlich müsste die Richtung stimmen, doch ganz sicher war sie sich inzwischen nicht mehr. Der Friedhof erstreckte
     sich über 200   Hektar – man konnte leicht die Orientierung verlieren, erst recht wenn man wie sie ohne Auto unterwegs war. Sie war mit der U-Bahn von Midtown bis zur 25th Street in Brooklyn gefahren und von dortzu Fuß zum Haupteingang des Friedhofs gegangen, der sich einen Straßenblock weiter östlich befand.
    Während sie sich zu orientieren versuchte, kamen ihr Zweifel, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, herzukommen. Im Grunde
     gab es nichts zu gewinnen, ob sie Vance nun antraf oder nicht. Wenn ja, würde sie ihn in einem zutiefst intimen Moment überrumpeln.
     Wenn nicht, hatte sie nur ihre Zeit vergeudet.
    Sie schob die Bedenken beiseite und setzte ihren Weg fort. Der Teil des Friedhofs, den sie nun erreicht hatte, war offenbar
     älter. Als sie an einem kunstvollen Grabmal mit einem ruhenden Engel aus Granit vorbeiging, hörte sie ein Geräusch. Erschrocken
     spähte sie durch den Dunst, doch zwischen den dunklen Schemen der Bäume war nichts zu erkennen. Mit entschieden mulmigem Gefühl
     beschleunigte sie ihren Schritt ein wenig, während sie in immer abgelegenere Bereiche des Friedhofs vordrang.
    Noch einmal überprüfte sie mit Hilfe des Lageplans ihren Standort. Es konnte nicht mehr weit sein. Sie beschloss, eine Abkürzung
     über einen kleinen Hügel zu nehmen. Als sie über das schlüpfrige Gras lief, stolperte sie über eine moosüberwucherte Grabeinfassung
     und konnte sich gerade noch an einer verwitterten Steintafel festhalten.
    Dann sah sie ihn.
    Er stand allein und mit gesenktem Kopf bei einem kleinen Grabstein, vor dem ein Strauß dunkelroter und cremefarbener Nelken
     lag. Auf dem Weg nicht weit von ihm war ein grauer Volvo geparkt.
    Tess zögerte kurz, ehe sie sich entschied, auf ihn zuzugehen. Im Näherkommen entzifferte sie auf dem Grabstein die Namen «Vance»
     und «Martha». Als sie sich ihm bis auf dreiMeter genähert hatte, nahm er noch immer keine Notiz von ihr, obwohl sie beide die einzigen Menschen weit und breit waren.
    «Professor Vance», sprach sie ihn vorsichtig an.
    Er stand einen Moment lang reglos da, ehe er sich langsam zu ihr umwandte.
    Der Mann, den sie vor sich sah, war nicht mehr derselbe.
    Sein Haar war dicht und silbergrau, sein Gesicht verhärmt. Die schlanke, hoch gewachsene Gestalt wirkte nicht mehr athletisch
     wie früher, sondern ein wenig gebeugt. Vance hatte die Hände in den Taschen seines dunklen Mantels vergraben und den Kragen
     hochgeschlagen. Tess fiel auf, dass der Stoff an den Ärmelaufschlägen fadenscheinig war und mehrere Flecken hatte. Überhaupt
     machte die gesamte Erscheinung einen recht schäbigen Eindruck, wie sie peinlich berührt feststellte.

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