Scriptum
Hugues de Payens stammte, wie er zur Entrüstung des französischen Historikers angeführt
hatte. Es drängte Tess, mehr darüber zu erfahren, aber noch bevor sie eine Frage stellen konnte, hörten sie über sich ein
Geräusch, ein Scharren wie von Stein auf Stein.
Vance sprang auf. «Bleiben Sie hier», befahl er.
Sie blickte erschrocken nach oben. «Was war das?»
«Bleiben Sie hier», wiederholte er knapp, während er selbst hastig den Tisch umrundete und den Taser hervorholte, mit dem
er vorhin auf Tess geschossen hatte. Dann überlegte er es sich anders, legte den Taser wieder ab und förderte aus einem Beutel
eine weitere Waffe zutage, einenormale Pistole. Ungeschickt lud er sie durch, während er zur Stiege eilte.
Tess sah seine Beine in der Dunkelheit verschwinden. Gleich darauf hörte sie das metallische Klacken, mit dem er die Tür hinter
sich verschloss.
KAPITEL 35
De Angelis fluchte leise vor sich hin. Er war mit dem Fuß gegen ein verkohltes Holzstück gestoßen und hatte damit weiteren
Schutt ins Rutschen gebracht. Es war nicht leicht, sich in der ausgebrannten Kirche geräuschlos fortzubewegen; der Boden des
dunklen, feuchten Raumes war übersät mit Steintrümmern und halb verbrannten Balken, Teilen des eingestürzten Daches.
Anfangs war der Monsignore überrascht gewesen, als Plunkett ihm berichtete, er habe Tess und ihren silberhaarigen Entführer
hierher verfolgt. Doch nun, da er durch die stille, gespenstische Ruine der Church of the Ascension schlich, erkannte er:
Dies war der ideale Ort für jemanden, der ungestört arbeiten wollte. Für jemanden, der sich dieser Arbeit ganz und gar verschrieben
hatte und keinerlei Wert auf persönliche Bequemlichkeit legte. Eine weitere Bestätigung für etwas, das De Angelis ohnehin
längst klar war: Der Mann, hinter dem er herjagte, wusste ganz genau, was er da aus dem Museum entwendet hatte.
De Angelis hatte die Kirche durch einen Seiteneingang betreten. Kaum vierzig Minuten zuvor hatte Plunkett beobachtet, wie
Tess Chaykin von ihrem Entführer mit verbundenen Augen aus dem grauen Volvo zu diesem Seiteneingang geführt wurde. Sie hatte
einen Arm über die Schultern desMannes gelegt, er musste sie stützen. Offenbar war sie noch so benommen, dass sie die paar Schritte nicht allein bewältigen
konnte.
Die kleine Kirche stand an der West 114th Street, eingezwängt zwischen zwei Reihen rotbrauner Sandsteinhäuser. An der Ostseite
verlief eine enge Gasse, in der nun der Volvo und die Limousine parkten. Die Kirche war erst vor ein paar Jahren einem Brand
zum Opfer gefallen, und der Wiederaufbau war offenbar noch nicht abzusehen. Vor der Ruine war eine Tafel mit einer zwei Meter
hohen Skala angebracht, die den Fortschritt der Spendensammlung abbildete. Die Säule stand erst bei etwa einem Drittel der
erforderlichen Summe; es wurden noch Hunderttausende Dollar benötigt, um der Kirche wieder zu ihrer früheren Pracht zu verhelfen.
Der Monsignore war durch einen schmalen Gang in das Hauptschiff gelangt. Säulenreihen trennten die zwei Seitengänge vom Mittelteil
ab, dessen Boden mit den Überresten der halb verbrannten Sitzbänke übersät war. Das Feuer hatte auch den Stuck an den Wänden
vernichtet, sodass das Mauerwerk aus Ziegel freilag, geschwärzt und stellenweise löcherig. Die wenigen verbliebenen Bogen
des Deckengewölbes, die von den Außenwänden zu den Säulen verliefen, waren ebenfalls verkohlt und bis zur Unkenntlichkeit
deformiert. Über dem Portal klaffte an der Stelle des prächtigen Glasfensters ein rundes Loch, das inzwischen mit Brettern
vernagelt worden war.
De Angelis war am Rand des Kirchenschiffes entlanggeschlichen, vorbei an den geschmolzenen Messinggittern vor dem Altarraum,
und behutsam die Stufen zum Hauptaltar emporgestiegen. Zu seiner Rechten ragten die verkohlten Überreste einer großen, überdachten
Kanzel auf. Die Stille,die ihn umfing, wurde nur gelegentlich von Straßenlärm durchbrochen, der durch die zahlreichen Löcher in den Außenwänden hereindrang.
Offenbar nutzte der Entführer des Mädchens, wer immer es sein mochte, die hinteren Räume der Kirchenruine. Während Plunkett
draußen Wache hielt, schlüpfte De Angelis behutsam an den Überresten des Altars vorbei in den Durchgang hinter dem Sanktuarium.
Im Gehen schraubte er einen Schalldämpfer auf die Mündung seiner SI G-Sauer -Pistole.
Und dann stieß er mit dem Fuß gegen den Schutt.
Der Lärm hallte
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