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Scriptum

Scriptum

Titel: Scriptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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Lachtränen zurückgehalten,
     als Kim sie von sich stieß und rief: «Iiih, Mom, du stinkst. Du brauchst aber wirklich dringend eine Dusche.» Auch als sie
     mit Reilly telefonierte, hatte sie den Drang zu weinen unterdrückt und darauf geachtet, dass ihre Mutter und Kim das Gespräch
     nicht mit anhörten. Überhaupt konnte sie sich nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal geweint hatte, aber jetzt konnte sie
     einfach nicht anders. Sie fühlte sich elend und zitterte am ganzen Körper, zum einen wegen der tatsächlich ausgestandenen
     Angst, zum anderen wegen all der Horrorszenarien und «Was-wäre-wenn»-Gedanken, die ihr durch den Kopf schossen.
    Während sie unter der Dusche stand und den Schmutz und Gestank abspülte, fasste sie mehrere Entschlüsse. Unter anderem entschied
     sie, dass sie Kim und Eileen etwas schuldig war.
    Sicherheit.
    Ihr kam eine Idee.
    Nur mit einem Bademantel bekleidet und mit tropfnassen Haaren ging Tess schnurstracks zu Eileen in die Küche. «Ich habe über
     unsere Pläne nachgedacht, diesen Sommer zu Tante Hazel zu fahren», begann sie. Hazel war die Schwester ihrer Mutter. Sie lebte
     auf einer kleinen Ranch bei Prescott, Arizona, allein, mit einem Stall voll Tiere.
    «Ja, was ist damit?»
    Tess verkündete ohne Umschweife: «Ich denke, wir sollten schon jetzt hinfahren, über Ostern.»
    «Warum in aller Welt   …» Ihre Mutter stockte, dann fragte sie argwöhnisch: «Tess, was verschweigst du mir?»
    «Nichts», log Tess, während in ihrem Kopf die Erinnerung an den Eindringling auftauchte, der sich Vance’ Keller genähert hatte.
     Sie glaubte noch einmal die Schüsse zu hören, den Aufschrei.
    «Aber   –»
    Tess fiel ihrer Mutter ins Wort: «Wir haben alle ein bisschen Erholung nötig. Ich komme auch mit, okay? Ich brauche nur noch
     ein paar Tage, um meine Termine zu regeln und mir im Büro freizunehmen. Aber ich will, dass du mit Kim schon morgen fährst.»
    «Morgen?»
    «Warum denn nicht? Du freust dich doch schon so lange darauf, und Kim kann ruhig mal ein paar Tage früher in die Osterferien
     gehen. Ich werde Flüge buchen – es ist einfacher, wenn wir der Reisewelle vor Ostern zuvorkommen», beharrte sie.
    «Tess!», protestierte Eileen. «Was soll das alles?»
    Tess lächelte nervös über den Ärger ihrer Mutter. Sie würde sich später entschuldigen. «Es ist wichtig, Mom», sagte sie ruhig.
    Eileen musterte sie eingehend. «Was geht da vor? Bist du in Gefahr? Ich will eine ehrliche Antwort: Ja oder nein?»
    Jetzt konnte sie unmöglich lügen. «Ich glaube nicht. Aber eins weiß ich ganz sicher», fuhr sie ausweichend fort. «In Arizona
     haben wir absolut keinen Anlass zur Beunruhigung.»
    Ihre Mutter runzelte die Stirn. Offenbar war das nicht die Antwort, die sie sich erhofft hatte. «Dann fahr doch gleich morgen
     mit uns.»
    «Ich kann nicht.» Ihre Miene und ihr Tonfall ließen keinen Widerspruch zu.
    Eileen holte tief Luft. «Tess   –»
    «Ich kann nicht, Mom.»
    Eileen nickte bedrückt. «Aber du kommst ganz bestimmt nach? Das musst du versprechen.»
    «Versprochen. Ich bin in ein paar Tagen bei euch.»
    Auf einmal fühlte sich Tess unsäglich erleichtert.
    Dann klingelte es an der Tür.
     
    «Sie hätten es mir sagen sollen, Tess. Sie hätten es mir wirklich sagen sollen.» Reilly war ganz außer sich. «Wir hätten ihn
     beim Verlassen des Hauses abfangen können, wir hätten ihn verfolgen und beschatten können, es hätte eine ganze Menge Möglichkeiten
     gegeben.» Er schüttelte den Kopf. «Das wäre für uns die Gelegenheit gewesen, ihn zu fassen und dem ganzen Spuk ein Ende zu
     machen.»
    Das Gespräch fand im Garten hinter ihrem Haus statt, damit ihre Mutter und Kim nichts davon mitbekamen. Tess hatte Reilly
     am Telefon gebeten, sich diskret zu verhalten. Mit vorgehaltenen Gewehren anzurücken sei wirklich nicht nötig. Während Aparo
     das Haus von außen im Auge behielt und auf den Einsatzwagen der Polizei wartete, hatte Reilly sich rasch vergewissert, dass
     die Gefahr tatsächlich vorüber und die Situation unter Kontrolle war, wie Tess beteuert hatte.
    Sie trug einen weißen Frotteebademantel, und ihr langes Haar war noch dunkel vor Nässe. Die beiden saßen unter einem großen
     Malvenbaum. Obwohl Reilly ihretwegen offensichtlichwütend und enttäuscht war, empfand Tess in seiner Gegenwart eine eigentümliche Ruhe. Zweimal am selben Tag hatte sie sich
     in einer Weise bedroht gefühlt, wie sie es noch nie zuvor erlebt hatte, und beide

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