Scriptum
ist ein Tutanchamun oder ein Troja vergönnt. Ichhabe vierzehn Jahre lang selbst da draußen gegraben und geschaufelt, an den gottverlassensten, moskitoverseuchtesten Flecken
unseres Planeten, und ständig darauf gehofft, einmal auf so etwas wie dies hier zu stoßen. Einmal etwas richtig Großes zu
entdecken, nicht bloß unbedeutende kleine Tonscherben oder vielleicht mal ein besonders gut erhaltenes Mosaik. Das ist der
Traum jedes Archäologen. Ein wirklich bedeutender Fund, der in die Geschichtsbücher eingeht. Etwas, das ich Kim eines Tages
im Metropolitan Museum zeigen und von dem ich stolz sagen kann: ‹Das habe ich entdeckt.›» Sie verstummte. Als Reilly nichts
erwiderte, setzte sie hinzu: «Für Sie muss das hier doch auch mehr als ein Routinefall sein, oder etwa nicht?»
Er dachte kurz nach, ehe er grinsend entgegnete: «Ach was, mit Verrückten auf Pferden, die Museen verwüsten, haben wir es
jede Woche zu tun. Das hasse ich so an diesem Job: Die Routine kann einen wirklich umbringen.» Gleich darauf wurde er wieder
ernst. «Tess, Sie vergessen dabei eines: Dies ist nicht bloß eine wissenschaftliche Herausforderung. Es geht nicht allein
um ein Manuskript und was es bedeutet … Wir ermitteln hier in mehreren Mordfällen.»
«Ich weiß.»
«Warten Sie ab, bis wir die Täter hinter Schloss und Riegel haben. Anschließend können Sie immer noch nachforschen, worauf
sie aus waren. Kommen Sie morgen vorbei, berichten Sie uns, was Sie wissen, und lassen Sie uns dann unsere Arbeit tun. Wenn
wir Hilfe brauchen, werden Sie die Erste sein, die es erfährt. Und – ich weiß nicht – wenn Sie eine Art Exklusivvereinbarung
wollen für den Fall, dass irgendetwas –»
«Nein, darum geht es nicht. Es ist nur …» Ihr wurde klar,dass nichts, was sie sagen konnte, ihn von seinem Standpunkt abbringen würde.
«Sie müssen sich diese Sache aus dem Kopf schlagen, Tess. Bitte. Sie müssen mir versprechen, dass Sie die Finger davon lassen.»
Die Art, wie er das sagte, berührte sie.
«Werden Sie das tun?», drängte er weiter. «Das ist alles andere als ein Spiel, und gerade jetzt ist wirklich nicht der rechte
Zeitpunkt dafür, dass Sie sich weiter einmischen.»
«Ich werde mich bemühen», versprach sie.
Er musterte sie einen Moment lang, dann stieß er ein kurzes Lachen aus und schüttelte den Kopf.
Ihnen beiden war klar, dass es für Tess längst nichts mehr zu entscheiden gab.
Sie steckte bereits unwiderruflich mit drin, und zwar bis über beide Ohren.
KAPITEL 42
Als Tess Chaykin den kahlen Konferenzraum mit Glasfront im FB I-Gebäude an der Federal Plaza betrat, wandte sich De Angelis auf seinem Stuhl um und musterte sie. Eine sehr clevere Lady, so viel
stand fest. Vor allem schien sie aber auch kühn und unerschrocken zu sein, was zusammen eine faszinierende, jedoch potenziell
gefährliche Kombination ergab. Andererseits konnten sich ihre Qualitäten, geschickt eingesetzt, wiederum als sehr nützlich
erweisen. Sie verstand es anscheinend, die richtigen Fragen zu stellen und die richtigen Hinweise zu verfolgen.
Während der Monsignore zuhörte, wie sie von ihrer Entführung und anschließenden Flucht berichtete, glitt sein Blick über die
Gesichter der Versammelten. Zwischendurch rieb er sich immer wieder verstohlen die Stelle an seinem Bein, an der ihn Vance’
Geschoss gestreift hatte. Die Wunde brannte, und besonders beim Gehen empfand er einen stechenden Schmerz, den er jedoch mit
Medikamenten so weit dämpfen konnte, dass er nicht merklich hinkte. Jedenfalls hoffte er, dass niemand etwas bemerkte.
Bei ihrer Erzählung fühlte er sich wieder in den dunklen Gang zur Krypta zurückversetzt, wo er Vance begegnet war. Zorn stieg
in ihm auf, er war wütend auf sich selbst, weil er den Mann hatte entkommen lassen. Einen armseligen,elenden Geschichtsprofessor, ausgerechnet.
Unverzeihlich
. Das würde ihm nicht noch einmal passieren. Inmitten dieser Grübeleien kam ihm der Gedanke, was er mit Tess gemacht hätte,
wenn es ihm gelungen wäre, Vance zu überwältigen. Eine unschöne Angelegenheit. Er hatte nichts gegen sie, wenigstens vorerst.
Solange ihre Motive nicht seine Mission gefährdeten.
Es war wichtig, dass er sie besser zu durchschauen lernte. Warum tut sie das? Worum geht es ihr eigentlich?, fragte er sich.
Er würde ihren Hintergrund überprüfen müssen und, was wichtiger war, ihre Haltung bezüglich gewisser, höchst bedeutsamer Fragen.
Als
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