Scriptum
sich
zu bringen. Er war ohne Zweifel ein abscheulicher Mann, und was die ganze Templerverfolgung betrifft, bin ich geneigt, Miss
Chaykin zuzustimmen: Ich würde dem Inhalt der Anschuldigungen kein allzu großes Gewicht beimessen. Die Templer waren zweifellos
unschuldige, wahre Gläubige und Soldaten Christi bis in den Tod. Die Vorwürfe dienten dem König lediglich dazu, sich ihrer
zu entledigen, wobei er zwei Fliegen mit einer Klappe schlug: Er wurde seine Rivalen los und brachte ihr Vermögen in seinen
Besitz. Oder versuchte es zumindest, denn schließlich wurde es niemals gefunden.»
«Wir reden hier von einem materiellen Vermögen, nicht von irgendwelchem esoterischen ‹Wissen›?», hakte Jansson nach.
«Nun, ich neige dazu, das zu glauben. Allerdings war ich nie mit einer regen Phantasie gesegnet, auch wenn mir durchaus bewusst
ist, dass all die schillernden Verschwörungstheorien einen gewissen Reiz ausüben. Aber das Materielle und das Esoterische
könnten noch auf andere Weise in Beziehung stehen. Sehen Sie, das rege Interesse für die Templer beruht zu einem erheblichen
Teil auf der Tatsache, dass es keine schlüssige Erklärung dafür gibt, wie sie in so kurzer Zeit derart reich und mächtig wurden.
Ich persönlich führe diesen Umstand auf die reichlichen Spenden zurück, die der Orden erhielt, sobald seine Mission allgemein
bekannt wurde. Aber wer weiß? Vielleicht hatten die ersten Templer tatsächlich Ausgrabungen getätigt und ein Geheimnis entdeckt,
das ihnen in Rekordzeit zu einem Vermögen verhalf. Nur, worin bestand es? Hatte es etwas mit den sagenumwobenen Nachkommen
Christi zu tun, mit einem Beweis dafür, dass unser Herr tausend Jahre zuvor ein Kind gezeugt hatte oder auch zwei …», De Angelis lachte kurz und spöttisch auf, «oder handelte es sich um etwas weitaus weniger Umstrittenes, aber möglicherweise
erheblich Lukrativeres?»
Er legte eine Pause ein, um sicherzugehen, dass alle seinem Gedankengang folgten.
«Ich spreche von den Geheimnissen der Alchemie», verkündete er dann ruhig. «Von der Formel, mit der man unedle Metalle in
Gold verwandeln kann.»
KAPITEL 43
Alle lauschten gebannt, während De Angelis eine kurze Einführung in die Geschichte der geheimen Wissenschaft gab.
Die historischen Belege stützten seine These. Tatsächlich war die Alchemie in der Zeit der Kreuzzüge nach Europa gelangt.
Die frühesten alchemistischen Arbeiten stammten aus dem Nahen Osten, sie waren in arabischer Sprache verfasst. Erst viel später
wurden sie ins Lateinische übersetzt.
«Die Experimente der Alchemisten basierten auf der aristotelischen Theorie der vier Elemente Erde, Luft, Feuer und Wasser.
Sie nahmen an, alles bestünde aus einer Kombination dieser vier Elemente. Außerdem glaubten sie, mit der richtigen Dosierung
und Methode könne jedes Element in jedes beliebige andere verwandelt werden: Wasser könne leicht in Luft umgewandelt werden,
indem man es kochte, und so weiter. Folglich musste es – so die Theorie – möglich sein, aus jedem beliebigen Ausgangsmaterial
alles zu erschaffen, was man wollte. Und das, was man am meisten begehrte, war natürlich Gold.»
Der Monsignore erklärte, wie die Alchemie auch auf die Physiologie angewandt wurde. Die vier Elemente des Aristoteles kehrten
in den vier Säften wieder: Schleim, Blut, gelbe und schwarze Galle. Man nahm an, bei einem gesunden Menschen befänden sich
diese Säfte im Gleichgewicht,Krankheit hingegen entstünde aus einem Mangel oder Überschuss an einem der Säfte. Die Alchemie beschränkte sich nicht auf
die Suche nach einem Rezept, mit dem man Blei in Gold verwandeln konnte; sie versprach zudem die Geheimnisse physiologischer
Wandlungen zu enthüllen, Wandlungen von Krankheit hin zu Gesundheit oder von Alter zu Jugend. Darüber hinaus verwendeten viele
Alchemisten diese Formel auch als Metapher für das Streben nach moralischer Perfektion: Was in der physischen Natur erreicht
werden könne, müsse auch im Herzen und im Geist zu bewirken sein. In seiner spirituellen Ausprägung wurde dem Stein der Weisen,
nach dem sie suchten, die Fähigkeit zugeschrieben, neben einer körperlichen auch eine spirituelle Wandlung zu bewirken. Die
Alchemie verhieß dem, der ihre Geheimnisse entdeckte, schlechthin alles: Reichtum, ein langes Leben, sogar Unsterblichkeit.
Damals, im zwölften Jahrhundert, wirkte die Alchemie auf Außenstehende allerdings auch rätselhaft und
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