Scriptum
ansah, las der Monsignore an ihren Augen ab, dass er sie
nicht überzeugt hatte. Sie schien zu spüren, dass es hier um mehr ging als nur um die Finanzierung eines persönlichen Rachefeldzuges.
Ja, wirklich, sinnierte De Angelis. Diese Frau ist zweifellos gefährlich. Doch für den Augenblick überwog der Nutzen, den
er womöglich noch aus ihr ziehen konnte, die Bedrohung.
Wie lange das so bleiben würde, war abzuwarten.
KAPITEL 44
«Welcher Sender ist das?»
Tess hatte eingewilligt, sich von Reilly nach Hause bringen zu lassen. Als sie nun neben ihm im Auto saß und der angenehmen
Musik lauschte, war sie froh, dass sie sein Angebot angenommen hatte. Vor ihr brach die untergehende Sonne hinter einer graphitgrauen
Wolkenbank hervor und tauchte den Horizont in ein dunkles Rosa.
Sie fühlte sich entspannt und sicher. Mehr noch: Ihr wurde bewusst, dass sie Reilly gern um sich hatte. Er hatte etwas an
sich mit seiner energischen Art, seiner unerschütterlichen Entschlossenheit, seiner … Ehrlichkeit. Sie wusste, dass sie ihm vertrauen konnte – was man von den meisten Männern, mit denen sie bisher zu tun gehabt
hatte, nicht behaupten konnte. Ihr Exmann war ein herausragendes Beispiel für die Niederungen der Gattung Mensch. Tess dachte
an das leere Haus, das sie erwartete, nachdem Kim und ihre Mutter nach Arizona geflogen waren. Sie freute sich auf ein warmes
Bad und ein Glas Rotwein. Eine Tablette würde ein Übriges dazu tun, dass sie die Nacht gut durchschlief.
«Es ist eine CD. Das letzte Stück war von Willie and Lobo aus dem Album
Caliente.
Das jetzt ist von Pat Metheny. Es ist einer meiner selbst zusammengestellten Sampler.» Miteinem leichten Kopfschütteln setzte er hinzu: «Das ist so eine Sache, die ein Mann niemals zugeben sollte.»
«Warum nicht?»
Er grinste. «Machen Sie sich über mich lustig? Sampler-CDs brennen? Ich bitte Sie, ein sicheres Zeichen dafür, dass jemand
viel zu viel Freizeit hat.»
«Ach, nicht unbedingt. Es könnte auch ein Zeichen dafür sein, dass jemand eine sehr genaue Vorstellung davon hat, was ihm
gefällt.»
Reilly nickte. «Diese Deutung gefällt mir.»
«Das dachte ich mir.» Sie lächelte und ließ einen Moment lang schweigend die feine Kombination von E-Gitarre und komplexer Orchestrierung auf sich wirken, das Markenzeichen dieser Gruppe. «Das ist gut.»
«Finden Sie?»
«So richtig … beruhigend und anregend zugleich. Außerdem läuft die Musik jetzt schon seit zehn Minuten, und meine Ohren sind noch nicht
taub. Eine nette Abwechslung, verglichen mit den Torturen, denen Kim sie normalerweise unterwirft.»
«So schlimm?»
«Fragen Sie lieber nicht. Und die Texte, mein Gott … Ich habe mich immer für eine moderne Mutter gehalten, aber manche von diesen ‹Songs›, wenn man sie denn so nennen kann …»
Reilly grinste. «Jaja, die Jugend von heute …»
«Hey, Sie sind auch nicht gerade der King des Hip-Hop.»
«Zählt Steely Dan?»
«Ich glaube nicht.»
Er setzte eine übertrieben zerknirschte Miene auf. «Wie gemein.»
Ihre Blicke trafen sich. Tess errötete leicht, als plötzlich ihr Handy zu klingeln begann.
Verärgert über die Störung, kramte sie es aus der Tasche. Die Nummer des Anrufers wurde nicht auf dem Display angezeigt. Sie
beschloss, das Gespräch anzunehmen, bereute es jedoch gleich darauf.
«Hi, ich bin’s. Doug.»
Besonders begeistert war sie nie, wenn ihr Exmann mit ihr reden wollte, aber in diesem Moment kam ihr sein Anruf besonders
ungelegen. Sie vermied es, Reilly anzusehen, und senkte die Stimme.
«Was willst du?», fragte sie kurz angebunden.
«Ich weiß, dass du an dem betreffenden Abend im Metropolitan warst, und ich wollte mich erkundigen, ob irgendetwas –»
Natürlich. Doug tat niemals etwas ohne Hintergedanken. Sie fiel ihm ins Wort: «Ich darf nicht darüber sprechen, okay?», log
sie. «Das FBI hat mir streng untersagt, mit der Presse zu reden.»
«Tatsächlich? Das ist ja Wahnsinn.»
Wahnsinn? Warum war das Wahnsinn?
«Sonst haben sie niemandem verboten, darüber zu sprechen», fuhr er ganz begeistert fort. «Warum wohl ausgerechnet dir, hm?
Was weißt du, was die anderen nicht wissen?»
Die Lüge war nach hinten losgegangen. «Vergiss es, Doug.»
«Nun sei doch nicht so.» Da war sie wieder, seine einschmeichelnde Tour. «Ich bin es doch, vergiss das nicht.»
Als hätte sie das jemals vergessen können. «Nein», wiederholte sie energisch.
«Tess, ich bitte
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