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Scudders Spiel

Scudders Spiel

Titel: Scudders Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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Enttäuschung blieb. Er war gekommen, vorbereitet auf ein Drama, nicht auf Garderobengespräche, die vertraulich schienen, es aber nicht waren.
    Also rief er kühn: »Wie geht’s dir eigentlich?«
    Der gläserne Spritzschutz glitt zurück. »Was sagst du?«
    »Ich fragte, wie es dir geht.«
    Sein Vater drehte die Dusche ab und langte nach einem Handtuch. »Viel zu tun«, sagte er.
    »Das weiß ich. Ich meinte, dir selbst. Gesundheitlich.«
    »Eins habe ich in meinem langen Leben gelernt: man soll andere nie fragen, wie es ihnen geht. Es besteht die Gefahr, daß sie es einem erzählen. Und dann steht man da und macht ein dummes Gesicht.«
    Scudder trocknete sich ab, bis die grauen Haare auf seiner Brust und am Unterbauch wie Drahtwolle abstanden.
    »Geh vorher noch zur Toilette. Ich habe schon unter der Dusche gepinkelt.«
    Sie passierten einander in der Türöffnung. Pete benutzte die Toilette, dann zog er die Jacke aus, schob die Ärmel hoch und wusch sich am Waschbecken.
    Sein Vater war offensichtlich zu einer Entscheidung gelangt. Was immer seinen früheren Rückzug verursacht hatte, war jetzt abgetan. Er hatte eine Einstellung gefunden. Vielleicht hatte die Anrede Scudder – die unkommentiert geblieben war – geholfen … Er wartete, sah zu, wie das Wasser in den Abfluß lief. Als er zurückdachte, wurde ihm auf einmal klar, daß sie ihn nicht ein einziges Mal mit dem Namen angeredet hatten. Das Junge seiner Mutter war mit monotoner Häufigkeit gekommen, mehr Interpunktion als Anrede. Aber von seinem Vater, nichts.
    Als er ins Schlafzimmer zurückkam, stopfte Scudder Laznett ein frisch gebügeltes blaues Hemd in eine dunkelblaue Hose. Er bückte sich, um sein knopfgroßes Funksprechgerät vom Overall loszumachen, dann richtete er sich auf, blickte in den Spiegel und fuhr sich mit der Hand leicht über die fünf Zentimeter borstigen grauen Haare.
    »Zeit für einen Klaren, bevor wir gehen.« Er blickte im Spiegel zu Pete. »Oder bist du immer noch anti? In den alten Zeiten warst du ein ganz frommer kleiner Bastard.«
    »Großvaters Beispiel reichte, um jeden zum Anti zu machen.« Pete lachte. Es war nicht gefährlich, diese Anspielung zu machen. »Aber das ist lange her.«
    Wenn schon ein gesundheitsschädliches Laster, dann zog er das Rauchen den harten Spirituosen vor, die seines Vaters Generation noch immer in sich hineingoß. Aber jetzt war nicht die rechte Zeit, es zu sagen. Gemeinsam verließen sie das Schlafzimmer. Oder einstweilen vielleicht nur nahe beieinander. Als er über die Schulter blickte, sah Pete den Overall seines Vaters noch immer am Boden liegen, die Turnschuhe, wo er sie hingeschleudert hatte, seine Unterhose auf den Fliesen in der offenen Badezimmertür. Er erinnerte sich an die aufgeräumte Ordnung des Raumes, als sie gekommen waren. Augenscheinlich war seine Mutter im Aufheben und Aufräumen so unverdrossen wie eh und je.
    Sie gingen die Treppe hinunter.
    »Wenn ich an deinen Großvater denke, der war nie ein echter Hiesiger, von der Landzunge. Wohlgemerkt, ich bin froh, daß er keiner war, aber er hätte aufhören und weggehen sollen.«
    Wie ich, dachte Pete. »Was ist ein echter Hiesiger?«
    »Ein Kerl, der zu bösartig und filzig ist, um anderswo zu leben.«
    Zu glatt, eine vorgefertigte Antwort, die er sich vor langer Zeit zurechtgelegt hatte und bei der er seitdem geblieben war, aus Sicherheitsgründen. Hände weg! Was Pete verstand und ihn, wie alle anderen, hingehen ließ.
    Das Erdgeschoß lag in einem ungewissen Licht. Die umgebenden Bäume und überdachten Veranden auf zwei Seiten filterten das Tageslicht. Dabei war es kühler als dieser Umstand allein erklären konnte. Eine Wärmepumpe irgendwo im Dachgeschoß, wahrscheinlich, und jedes Zimmer mit einem eigenen Lomparex. Kostspieliges Wohnen: Extraktionsanlagen für Partikel geringer Masse kamen teuer, aber sie ersparten eine Menge Mühe mit dem Staubwischen. Er fragte sich, was seine Mutter mit ihrer Zeit anfing, wenn sie nicht staubwischen mußte. Sie räumte auf, natürlich. Aber in der Ferry Lane schien der Kampf gegen den Flugsand ihre Hauptbeschäftigung gewesen zu sein.
    »Bourbon?« Sein Vater stand an einem mit Flaschen beladenen Tisch in der Fensternische eines blauen, in italienischem Stil der Jahrhundertwende eingerichteten Zimmer. »Es ist auch Scotch da, wenn dir der lieber ist.«
    »Ein Jim Beam wäre mir recht.«
    Sein Vater fummelte mit Eiswürfeln, dann reichte er ihm ein Glas und prostete ihm zu. »Auf das

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