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Scudders Spiel

Scudders Spiel

Titel: Scudders Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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verdampft.«
    »War es nicht im letzten Winter?« Er war damals nicht so sehr interessiert gewesen. War es auch jetzt nicht. Das Loch stellte ein Geheimnis dar, und im allgemeinen mochte er keine Geheimnisse. Er konnte keinen Sinn in ihnen sehen.
    »Am siebten Oktober. Kurz vor dem ersten Schnee. Etwas Elektrisches, würde ich sagen – machte jeden Bildschirm der Landzunge kaputt. Kostete mich Wochen, sie zu reparieren. Du solltest sehen, wie es die Bäume erwischt hat. Nicht verbrannt, nein – einfach verschwunden. In Luft aufgelöst.«
    »Das … das würde ich mir gern ansehen, Scudder. Wirklich!«
    Der alte Mann legte Pete den Arm um die Schultern. »Und du solltest es sehen. Ich werde es dir selbst zeigen.«
    So gingen sie einträchtig die sandüberwehte Straße hinunter zum alten Schuppen der Küstenwache. Und alles, weil er Interesse an einem verwünschten Loch im Boden vorgegeben hatte. Aber es war eine Wirtshauskameraderie, die nicht von Dauer war.
    Am Schuppen der Küstenwache bogen sie nach links und gingen weiter, hinaus zur Landspitze. Fahrzeuge parkten entlang den Straßenrändern und von überallher kamen die Leute zusammen, und Scudders Kameradschaft schrumpfte, und er ließ Pete einen Schritt zurück, und sein Gespräch – selbst über den UFO-Absturz – zerging zu nichts, und sie hätten die Fremden sein können, die sie waren.
    Hummerpicknicks waren hier auf der Landspitze seit einhundertzweiunddreißig Jahren der Brauch. In den Grashang über den Felsen war eine Gedenktafel eingelassen, die des ersten Hummerpicknicks gedachte – angebracht von den Carters, deren Vorfahren angeblich dabei gewesen waren. Einhundertzweiunddreißig Jahre Muschelsuppe, Mais und Brot und gekochten Hummer frisch aus der Bucht, mit zerlassener Butter, und Bier für die Erwachsenen und Brause für die Kinder, und Spiele, und manchmal Musik … – alles eine Tradition der reichen Villen- und Sommerhausbesitzer.
    Der Heimatklub gab eins, die Tennis-, Golf- und Jachtklubs gaben jeder eins, Pete erinnerte sich, daß seinerzeit sogar die Vereinigung christlicher Mütter eins veranstaltet hatte, und einmal im Jahr, am Huppeltag, gab der Bürgerverein der Landzunge eins. Zu dessen Mitgliedern die Laznetts – denn die Zeiten änderten sich, jawohl – nun unleugbar gehörten.
    Pete sah, daß sein Vater ganz recht gehabt hatte: die Schlange vor der Essensausgabe erstreckte sich zwar nicht zur Hölle und zurück, aber doch mindestens fünfzig Meter auf die Straße hinaus. Er und Scudder stellten sich an, gemeinsam, aber jeder für sich. Er drängte nicht, es war Zeit genug: statt dessen beobachtete er die Leute. Und sah, daß für sie, im Gegensatz zum größten Teil der Bevölkerung, Selbstvertrauen und Zufriedenheit nichts Neues waren. Die Leute der Landzunge hatten fünf Generationen des Wohlstands hinter sich, fünf Generationen des Auswählens und Vorziehens, des Wissens, was man wollte und des Beharrens darauf. Und irgendwie sah man dies den Menschen an.
    Nicht im Sinne von Weltmüdigkeit oder Lebensüberdruß, denn die Leute von der Landzunge waren niemals weltmüde, das schmeckte zu sehr nach kontinentaler Dekadenz, sondern von selbstverständlichem Anspruch. Von ihnen ging die ungebrochene Überzeugung aus, daß ihnen die guten Dinge von Rechts wegen zustanden, und nicht etwa durch sozialen Aufstieg, sondern kraft des Erbrechts an den Eroberungen der Vorväter. Sie waren, soweit sie zu diesem Kreis gehörten, ein selbstzufriedenes Volk, zwanglos im Umgang miteinander, zwanglos auch im Umgang mit der ganzen Schöpfung.
    Es zeigte sich auch in einer unbetonten Konformität. Die Modefarben der Damen waren dieses Jahr Rosa und Smaragdgrün. Möglicherweise waren das jedes Jahr die Modefarben: rosa und smaragdgrün geblümte Kleider, rosa Blusen über smaragdgrünen Hosen. Und die Männer in weißen Hemden und vernünftigen Drillichshorts. Bei jungen Männern, deren Brustmuskulatur und Bizeps es vertragen konnten, sah man vereinzelt an Stelle von Hemden bunt aufgesprühte Farbenphantasien. Eine Konformität auch des Akzents und der Haltung. Man stand in der Sonne, man plauderte zwanglos, lachte ungezwungen. Wer die Essensausgabe passiert hatte, setzte sich zu Bekannten ins Gras, suchte Schatten unter den wenigen struppigen Kiefern und schlürfte die dicke heiße Suppe. Eine bunte Gesellschaft, heiter und ungezwungen.
    Die Schlange rückte vor, und die Laznetts, Vater und Sohn, waren weder heiter noch ungezwungen. Scudder

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