Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Scudders Spiel

Scudders Spiel

Titel: Scudders Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
Vom Netzwerk:
»Zu offensichtlich. Und mechanisch. Mozart ist vielschichtiger, findest du nicht?«
    Ihre Mutter beugte sich vor und beobachtete kritisch das Geschehen auf der Bühne. »Der Computer findet die Äquivalente schon. Alles läßt sich in anderen Begriffen ausdrücken. Das ist die erste Regel. Die zweite Regel ist, daß keine zwei Augenpaare das gleiche hören.«
    Sie blickte wieder zu Pete auf. Es war ein hübscher semantischer Scherz, und sie wollte sehen, ob er es bemerkt hatte.
    »Sie sind die Künstlerin, Mrs. Shakewell. Machen Sie es nur, wie Sie es für richtig finden.«
    »So aus dem Handgelenk ist das nicht schlecht, Pete … Aber ersparen Sie mir die Mrs. Shakewell, ja? Man kommt sich ja wie hundert vor. Sage Sie ruhig Alice!«
    Sie richtete sich auf. »Grace sagte mir, daß Sie Scudder Laznetts Junge sind. Nun, das ist ein Mann, mit dem ich reden kann. Er hält mich für verrückt, wohlgemerkt, aber er hat mir diesen Anschluß zurechtgemacht. Wenn es um Elektronik geht, gibt es nichts, was dieser Mann nicht kann.«
    »Das glaube ich gern.«
    Ein gefährliches Gutachten, leider.
    »Natürlich ist er in jeder anderen Hinsicht ein bösartiger alter Bastard.«
    Grace lachte. »Mutter!«
    »Nur keine falsche Entrüstung, Kind. Der Junge ist eineinhalb Tage hier. Er weiß es.«
    Hinter ihr wurden die Formen, die der Computer für mozartgemäß hielt, zu winzigen Punkten verschiedener Farbe, die hoch über der Bühne komplizierte Muster bildeten. Pete überlegte, ob diese Frau ihm helfen könnte. Sie hatte mit Scudder gesprochen – sie waren beide Außenseiter hier auf der Landzunge und arbeiteten daran, diesem Ruf gerecht zu werden; vielleicht wußte sie, was ihn bewegte … Aber nicht heute abend. Er hatte einen langen, harten Tag hinter sich, und das Ende dieses Tages sollte für Grace reserviert bleiben. Grace.
    Er lächelte. »Ihr Mozart gefällt mir, Alice. Wirklich.«
    »Das ist nett.« Sie musterte ihn aufmerksam. »Siehst du, was ich meine, Grace? Er weiß genau, daß sein Vater ein bösartiger Bastard ist. Und er sagt mir, daß ich mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern soll.«
    Er widersprach ihr nicht. Auch Grace, so bemerkte er, tat es nicht.
    Ihre Mutter ging zurück an das Eingabegerät und schaltete aus.
    »Zwei Jahre habe ich daran gearbeitet. Hatte eine Schau entworfen, für die Stadt. Aber es ist immer noch nicht richtig.«
    Grace nahm Pete am Arm und zog ihn sanft zur Tür. »Bis später, Mama.«
    Als sie hinausgingen, rief Alice ihn zurück. »Pete?«
    Ihre Stimme hatte den angestrengten, maskulinen Ton verloren. Er wartete, während sie sich zu ihm umwandte.
    »Also schön, ich mache mir Sorgen. Seien Sie nicht einer von denen, die nur nehmen. In Ordnung?«
    »In Ordnung.« Er dachte plötzlich, wie sehr er sie mochte. Er mochte sie wirklich. Mit all ihren widersprüchlichen Anpassungsversuchen an eine Welt, an der sie nicht teilhatte. »In Ordnung, Alice.«
    Sie gingen hinaus und schlossen die Tür hinter sich. Draußen war ein großer Wintergarten mit Blick auf die See; Warmluft strömte durch altertümliche gußeiserne Gitter im Boden, und der ganze Raum war überschattet von den Zweigen eines ebenso alten Weinstocks, von denen winzige hellgrüne Trauben hingen. Das Haus der Shakewells war womöglich noch großartiger als das seiner Eltern.
    Er fragte Grace: »Hat sie dich schon mal gebissen gesehen?«
    Grace schüttelte den Kopf. »Nicht mich. Sich selbst. So erkläre ich es mir. Mein Vater war in der Macho-Rolle steckengeblieben. Er wollte Söhne, überredete sie dazu. Und dann, als ich daherkam … nun, da war er eben einer von denen, die Kinder nicht ausstehen können.«
    »Muß hart gewesen sein.«
    »Das Dumme war, sie konnte Kinder auch nicht ausstehen.«
    »Wer kann das schon? Jetzt, da die Leute Zeit haben, darüber nachzudenken.«
    »Einige schon. Viele sogar. Aber die damalige Alice Wilks nicht.«
    Pete lachte. »Du und ich. Ich – siebzehn Jahre lang wurde ich vor Liebe geradezu aufgefressen. Und nun du …«
    »Ich beklage mich nicht. Du hast sie gesehen – was sie macht, das macht sie ordentlich.«
    »Arme Grace.«
    »Du meinst, arme Alice Wilks, wie sie war.« Sie streckte sich, küßte ihn auf die Nasenspitze … »Beichte zu Ende! Gehen wir essen?«
    Sie hatte ihren eigenen Teil des Hauses, durch nachträglich eingezogene Wände abgetrennt, so daß sie hinausgehen mußten, um ihn zu erreichen. Die untergehende Sonne sandte breite goldene Lichtstrahlen durch das

Weitere Kostenlose Bücher