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Scudders Spiel

Scudders Spiel

Titel: Scudders Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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verschwunden. Pete war nicht überrascht. Es interessierte ihn jedoch, wo sie geblieben sein könnten, und so benutzte er die wenigen Minuten, die ihm bis zur Arbeit blieben, um sich umzusehen. Das Dachgeschoß enthielt Schlafräume und Badezimmer, alle mehr oder weniger großartig, aber auch eine mit grünem Fries bespannte Tür, die wahrscheinlich zu den Diensbotenzimmern führte und verschlossen war. Auch dies überraschte ihn nicht.
    Es gab natürlich viele gute und vollkommen unschuldige Gründe, die absolut nichts mit der melodramatischen Herstellung von Bomben, die selbst Sachverständige nicht identifizieren konnten, zu tun hatten, warum diese Tür im Dachgeschoß zugesperrt war. Aber er glaubte an keinen von ihnen. Das Beweismaterial war dürftig, die Schlußfolgerung theatralisch. Dennoch paßte sie.
    Scudder sorgte sich um die Welt.
    Und Maudie, die Pete nichts sagte, hatte ihn gebeten zu kommen. Sie lebte mit dem alten Teufel. Sie mußte es wissen.
    Er kehrte zurück zu den Bildschirmen, schaltete den Zerhacker ein, machte sich an die Nachmittagsarbeit. Es war unausweichlich, daß er sich Gedanken machte. Die Frage war, wie lange er es noch aufschieben konnte.

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FÜNF
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    »Pete, ich möchte dich mit meiner Mutter bekannt machen.«
    Das Zimmer war fast dunkel, erhellt nur von einem zulaufenden Rechteck abendlichen Sonnenscheins von der offenen Tür und den ständig wechselnden Lichteffekten einer holographischen Bühne. Vor dieser machte Pete die unbestimmte Silhouette einer Gestalt aus, die über ein Eingabegerät gebeugt saß, während sich auf der Bühne selbst, die ein professionelles Modell von ungefähr einem Quadratmeter Grundfläche war, farbige Strukturen bewegten, formlos ineinanderflossen und sich in hell aufleuchtenden Spitzen wieder trennten.
    Aus dem Halbdunkel kam eine rauhe, tiefe Stimme, fast ein Bariton. »Der einzige Pete, an den ich mich erinnere, ist dieser Laznett-Junge. Er pflegte sich zwischen den Felsen zu verkriechen, um meine Titten anzustarren.«
    Dieses Spiel, entschied er, beherrschte er auch. Er trat einen Schritt vor. »Nicht nur Ihre Titten, Mrs. Shakewell. Auch Ihren Arsch.«
    Die Gestalt wandte sich um. »Gegen das Anstarren habe ich nichts. Nur gegen das Verstecken.«
    Die vormalige Alice Wilks streckte die Hand aus und schaltete eine Tischlampe ein. In ihrem Licht sah Pete eine ungelenk wirkende knochige Frau mit glattem grauen Haar, das in einer Ponyfrisur geschnitten war. Sie trug eine Latzhose, die derjenigen seines Vaters sehr ähnlich war. Ihr Gesicht war von Falten durchzogen und ganz ohne Make-up.
    Sie streckte ihm die Hand hin, und er schüttelte sie. »Ich verstecke mich nicht mehr«, sagte er.
    »Sie können von Glück sagen. Wir hatten was vorzuzeigen, seinerzeit.«
    Das stimmte sogar: etwas durch seine Seltenheit verworfenes, und daher der Betrachtung wert. Aber ihre Verallgemeinerung war bemüht – daß sie all diese Jahre der öffentlichen Meinung der Landzunge getrotzt hatte, war nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Er sah an ihr vorbei zur holographischen Bühne, wo die Formen noch immer durcheinanderwogten. »Ich fürchte, wir haben Sie unterbrochen«, sagte er.
    »Keineswegs. Ich lasse mich gern unterbrechen. Außerdem ist es Zeit, daß ich aufhöre.«
    Grace kam näher. »Mutter gestaltet Musik. Einen dreidimensionalen Mozart. Eine ganz neue Kunstform.«
    »Mozart?« Mrs. Shakewell schnaubte geringschätzig. »Wenn du einen Modernen nicht erkennst, wenn du ihn siehst, Kind, dann vergeude ich meine Zeit.«
    Sie starrten. »Oh«, sagte Grace. »Also ist es nicht Mozart. Nein … nein, natürlich nicht. Haynes, vielleicht?«
    »Das kommt schon näher. Aber für dich ist es noch immer bloße Raterei.«
    Pete sah purpurne Würfel mit abgerundeten Ecken, durchschossen von gelben Dolchstößen. Er verstand nichts von moderner Musik, außer daß er das meiste davon nicht mochte. »Lederheim?« schlug er vor, weil ihm der Name gerade eingefallen war.
    Mrs. Shakewell nahm dieses Ansinnen mit steinerner Miene auf. Sie wandte sich zur Eingabetastatur, brachte die purpurnen Würfel zum Erlöschen, wechselte das Band aus und tippte neue Instruktionen in die Eingabe. Die Bühne füllte sich mit leuchtendblauen Säulen, die sich im Kreis bewegten, dann in einer jähen silbernen Kaskade zerbrachen. Dann kamen sie wieder, höher und schlanker diesmal, und bewegten sich weiter im Kreis.
    »Da hast du Mozart«, sagte sie.
    Grace schürzte die Lippen.

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