Scudders Spiel
Scudder, als ob sie es nötig hätte, ihre Abgesondertheit zu bewahren und zu demonstrieren. Als sie Pete eintreten sah, stand sie auf und ging zum Herd.
»Konntest du helfen?«
»Nicht viel.« Er stellte die Gläser in die Geschirrspülmaschine.
»Dachte es mir. Sie ist ein Dummkopf, diese Millie.«
Hart. Und nicht nur die jungen Leute. »Ach, ich weiß nicht. Sie hat die Übersicht verloren, das ist alles.«
»Du lebst hier nicht, Junge. Du siehst es nicht.«
»Sie trug mir auf, dir Dank zu sagen.«
»Dank für nichts. Hier ist dein Chili. Ich konnte sie nicht gut wegschicken, nicht wahr?«
Er nahm den Teller aus ihrer Hand und setzte sich, wo sein Besteck ausgelegt war. Ihre Schroffheit war übertrieben. Man hatte sich an sie gewandt, und das war Triumph genug. Sie mußte ein Wunder sein, die Güte selbst, eine starke Stütze. Wahrscheinlich für die ganze Landzunge. Was, wie er plötzlich erkannte, die Munterkeit erklären konnte, sogar den Sinn für Humor – wenn schon nicht Dr. Besserman, so doch Grace, inter alia: »Sie ist die Größte.« Wie wenig war tatsächlich nötig.
»Du machst das beste Chili, Mama. Macht sie nicht das beste Chili, Scudder?« Und leugne das, wenn du es wagst, du alter Teufel!
Der alte Teufel wich aus. »Dieser verdammte Zuhältertyp von Millie macht um sein Bildschirmgerät mehr Aufhebens als alle anderen, die ich kenne. Letzte Woche ließ er mich gleich zweimal kommen. Das erste Mal war es die Bildschärfe. Das zweite Mal traute er dem Zerhacker nicht. Und beide Male war alles völlig in Ordnung.«
Pete ließ es hingehen. Maudie wird es nicht einmal bemerken, also warum sich die Mühe machen?
»Ich nehme an, er ist einer, der seine Spiele sehr ernst nimmt.«
»Wollte Millie dich deswegen sprechen?«
»Etwas von der Art …« Millies Notlagen waren ihre eigene Sache. »Das erinnert mich … – ich habe heute nachmittag noch eine Sitzung. Von drei bis fünf. Wäre es dir lieber, wenn ich Mutters Bildschirmgerät nehme?«
»Nicht nötig. Ich habe ein paar Anrufe zu machen. Und Maudie benutzt das Gerät gern an den Dienstagnachmittagen. Laß mir eine halbe Stunde Zeit, daß ich mir meine Sachen zusammensuchen kann, dann gehört alles dir.«
»Danke.« Er wandte sich zu seiner Mutter. »Sag bloß, du nimmst an einem Spiel teil?«
Sie richtete sich auf. »In diesem Haus? Nur über Scudders Leiche. Nein, ein paar von uns Frauen kommen zusammen. Eine Art Handarbeitszirkel. Flickwerk, solche Sachen.«
»Flickwerk, solche Sachen.«
»Eher Tratschwerk, würde ich sagen.« Scudder lachte höhnisch. Es war offensichtlich ein alter Witz, den er liebte. »Flickwerk, Tratschwerk. Flickwerk, Tratschwerk, he, he, he …«
Er stand auf und verließ die Küche, weiter an seinem Witz murmelnd, Flickwerk, Tratschwerk, bis er außer Hörweite war. Pete blieb noch eine Weile, aß sein Chili und sprach mit seiner Mutter. Sie hatte ein paar gute Bildschirmfreundinnen gewonnen, erzählte sie. Um vier Uhr gebe es gemeinsam Kaffee und Kuchen, wenn auch nur am Bildschirm. Es sei eine Abwechslung von der Landzunge.
Später unternahm Pete einen kurzen Spaziergang. Er hatte nicht gewußt, daß die alte Umgebung eine solch starke Anziehungskraft haben würde. Es war heiß geworden, kein Lufthauch regte sich, und von der See drangen die Motorgeräusche der Hummerfischer an sein Ohr. Er nahm den Weg auf das Kliff und wandte sich nach rechts, fort vom Strand. Ober ihm, eingebettet in den lichten Nadelwald und mit Blick über den Ozean, buk das große, graugeschindelte Haus mit den altmodischen Extravaganzen seiner Giebel und Erkertürmchen in der Sonne. Er stieg über die Felsen ab und setzte sich auf eine geneigte Felsbank nahe dem Wasser.
Er beobachtete die weißen Boote der Hummerfischer. Drei von ihnen bewegten sich langsam durch die sanfte Dünung auf der Leeseite der Schafinsel, bis sie hinter der Spitze verschwanden. Dann beobachtete er die See. Und die Möwen. Und das heiße Blaßblau des Himmels. Bis Schmerzen im Gesäß ihn an seine separate, allzu fleischliche Existenz gemahnten.
Eine Stunde war verstrichen. Es war kurz vor drei. Steif erhob er sich und kehrte zurück zur Schulman-Villa.
Maudie arrangierte ihr Zubehör im Herrenzimmer: Nähkasten, Bündel farbiger Stoffabschnitte, Schnittmuster, etwas abseits Kuchen und die Kaffeemaschine. Er warf nur einen Blick zu ihr hinein, dann ging er nach oben. Drei der am Morgen hereingeschafften Kartons waren aus Scudders Werkstatt
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