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Scudders Spiel

Scudders Spiel

Titel: Scudders Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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dem Haus, standen unter den Bäumen und blickten zum Himmel auf. Grillen sangen ihr zeitloses Lied, Musik drang aus dem beleuchteten Eingang, und in den dunklen Wipfeln über ihnen rief ein aufgestörtes Käuzchen. Schließlich kehrten sie ins Haus zurück, füllten die Geschirrspülmaschine, schalteten das Band aus und gingen zu Bett.
    Das Bett war eine Fortsetzung. Wie es heißt, daß der Krieg eine Fortsetzung des Kapitalismus mit anderen Mitteln ist, so war das Bett eine Fortsetzung des Friedens mit anderen Mitteln – des miteinander geteilten Friedens, den sie an diesem Abend genährt hatten. Was nicht sanfte Passivität suggerieren soll, oder eine esoterische beiderseitige Nabelschau, denn was sie in dieser Nacht miteinander teilten, war weder passiv noch sonderlich esoterisch. Alles aber hatte jene besondere Intensität, jene Verengung und Erhöhung der Wahrnehmungen, die nur die geheiligte Gabe der Wollust hervorbringt.
    Anfangs erforschten sie, studierten die winzigsten Zeichen und Symbole. Selbstsicherer dann, wie Kinder auf dem Spielplatz, vergaßen sie ihren furchtsamen Respekt und konnten spielen. Nervenenden von Ohren, Brüsten und Schenkeln, Körperhaar, das die Haut darunter erschauern machte, Liebkosungen von Brustwarzen und Testikeln, Zungen wie kleine warme flinke Fische, genießerische Sinneswahrnehmungen … und das alte Aphrodisiakum der Worte: Schlüpfrigkeiten, unschuldig gemacht durch Lächeln und Zärtlichkeit, eine sanfte, leidenschaftliche Anrufung.
    Ihre geteilte Besessenheit vertiefte sich, verlangte Ernst und die Anerkennung ihrer eigenen einzigartigen Bedeutung. Sie vereinigten sich, existierten als Eins, ohne Grenzen, auf wunderbare Weise zusammen, außerhalb der Welt und der Zeit. Neue Gebote verschafften sich Geltung, und sie spielten nicht mehr.
    Sie nahm seine Hand und legte sie sanft auf den Huppelsender, der neben ihrem Kopf auf dem Kissen lag, umschloß ihn und Petes Hand mit den Fingern. Er stützte sich auf einen Ellbogen und ließ den Sender zu ihr sprechen. Die stumme Sprache ging durch ihren Körper, liebkoste ihren Geist, ihr ganzes Wesen. Er sah ihr in die Augen und hatte teil daran. Sie waren Gemeinsamkeit. In diesen Augenblicken war er von ihrem Fleisch, von ihrem Geist von ihrer Seele, bis Fleisch und Geist und Seele in einer orgasmischen, selbsterhöhenden Dreieinigkeit verschmolzen.
    Sie warteten. Mit der Rückkehr des Verlangens löste Grace seine Finger vom Sender und überließ diesen sich selbst und seiner Weisheit. Sie waren ohne Furcht. Ganzheit, die einmal beschworen worden war, konnte wieder beschworen werden, und sie war mit ihm, als der Orgasmus wie eine Welle zwischen ihnen wuchs und stieg und sich auftürmte und schließlich brach … und in seiner flackernden, tumulthaften Übereinstimmung war sie noch immer mit ihm.
    Sie lagen beisammen, zufrieden in wortloser Erinnerung. Der Jahrmarkt war zu Ende, der Zirkus hatte die Stadt verlassen. Der Abend, der so gut begonnen hatte, hatte unerwartete Wunder beschert, und nun hatten sie wieder ihren Frieden in der einfachen Freude miteinander.
    Es war immer seltsam, wie die sinnlichen und emotionalen Wirkungen eines Huppelsenders so variabel sein konnten, wurden sie doch in der Theorie völlig mechanisch durch myoelektrische Implantate hervorgerufen. Natürlich waren diese Effekte niemals unangenehm, aber bisweilen – wie es in diesem Fall geschehen war – konnten sie transzendental sein. Pete hatte mit der Hilfe dieses Gerätes im Lauf seines Lebens viele Orgasmen mit vielen Leuten geteilt, gegeben und empfangen. Oft war er seinen Partnerinnen gefolgt, genauso oft waren sie ihm gefolgt. Es war nicht wichtig, ob sie oder er zuerst den Höhepunkt erreichten, oder beide zusammen, denn es war immer befriedigend, an einem solch bedingungslosen Genuß teilzuhaben, immer befriedigend, gewählt zu sein, sei es für die Stunde, den Tag, eine Woche oder einen Monat. Und dennoch die Distanz aufrechtzuerhalten, die eigene, ungefährdete Identität.
    So hatte es welche gegeben, die, und mit denen, er einfach beobachtet hatte. Aber es hatte auch andere gegeben, einige wenige, mit denen Gefahr keine Bedeutung mehr hatte, mit denen Identität irrelevant war, mit denen die geteilten Wonnen darum unermeßlich größer waren: die Möglichkeit von Einheit und durch sie, von flüchtiger Selbstvervollkommnung. Emma war eine von diesen, und jetzt auch Grace.
    Er öffnete die Augen. »Ich habe schon wieder Hunger«, sagte er.
    Grace

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