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SdG 04 - Die eisige Zeit

SdG 04 - Die eisige Zeit

Titel: SdG 04 - Die eisige Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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und wirr durcheinander dalagen wie das Treibgut eines Sturms aus grauer Vorzeit.
    Hetan kniete mit gesenktem Kopf vor dem ersten Einbaum. Sie hatte sich schon eine ganze Weile nicht bewegt.
    Itkovian war hinuntergestiegen, um die Überreste selbst genauer in Augenschein nehmen zu können, und er schritt jetzt vorsichtig zwischen den Wracks hindurch. Cafal folgte ihm schweigend. Die Aufmerksamkeit des Schild-Amboss wurde vor allem von den Schnitzereien am Bug der Boote angezogen; zwar waren noch nicht einmal zwei der Darstellungen identisch, doch die Themen an sich wiederholten sich – es waren Szenen von Kämpfen auf See, wobei die Barghast in ihren langen, niedrigen Einbäumen leicht zu erkennen waren; sie kämpften immer mit demselben Feind, hoch gewachsenen, geschmeidigen Wesen mit eckigen Gesichtern und großen mandelförmigen Augen, die hochbordige Schiffe besaßen.
    Als er sich hinkniete, um eine der Szenen genauer zu betrachten, murmelte Cafal hinter ihm: »T’isten’ur.«
    Itkovian drehte sich um und warf ihm einen raschen Blick zu. »Was hast du gesagt?«
    »Die Feinde unserer Gründergeister. T’isten’ur, die Grauhäutigen. Dämonen aus den ältesten Geschichten, die Köpfe gesammelt und die Opfer am Leben gelassen haben … Köpfe, die wachsam geblieben sind, Körper, die ohne Unterlass gearbeitet haben. T’isten’ur: Dämonen, die in den Schatten gelebt haben. Die Gründergeister haben in der Blauen Ödnis gegen sie gekämpft …« Er verstummte, runzelte die Stirn, und fuhr dann fort: »Die Blaue Ödnis. Wir haben nie verstanden, was das für ein Ort gewesen sein sollte. Die Schultermänner haben geglaubt, dass es jener Ort war, an dem wir geboren wurden. Aber jetzt … es war das Meer, die Ozeane.«
    »Also der wahre Geburtsort der Barghast.«
    »Ja. Die Gründergeister haben die T’isten’ur aus der Blauen Ödnis vertrieben, haben die Dämonen in ihre Unterwelt zurückgedrängt, in den Wald der Schatten – ein Gebiet, das angeblich weit im Südosten liegen soll …«
    »Vielleicht ein anderer Kontinent.«
    »Vielleicht.«
    »Ihr entdeckt gerade die Wahrheit hinter euren ältesten Legenden, Cafal. In meiner Heimat, in Elingarth, weit im Süden von hier, gibt es Geschichten über einen Kontinent, der weit weg in jener Richtung liegt, von der du gesprochen hast. Ein Land voller gigantischer Tannen, Rotholzbäume und Fichten – ein unberührter Wald, dessen Grund im Schatten verborgen liegt und der von tödlichen Gespenstern bevölkert ist.
    Als Schild-Amboss«, fuhr Itkovian nach einer kurzen Pause fort, während er sich wieder den Schnitzereien zuwandte, »bin ich ebenso sehr Gelehrter wie Krieger. T’isten’ur – ein Name, der in mir etwas zum Klingen bringt. Da hätten wir zunächst die Tiste Andii, die Bewohner der Dunkelheit. Und außerdem, nur selten erwähnt – und dann auch nur furchtsam im Flüsterton – ihre Schatten-Verwandten, die Tiste Edur. Grauhäutig, angeblich ausgestorben – wofür wir dankbar sein sollten, denn es ist ein Name, der mit entsetzlichem Grauen verbunden ist. T’isten’ur, der erste Knacklaut steht für die Vergangenheitsform, ja? Tlan, jetzt T’lan – eure Sprache ist mit der der Imass verwandt. Sehr eng verwandt. Sag mir, verstehst du Moranth?«
    Cafal grunzte. »Die Moranth sprechen die Sprache der Schultermänner der Barghast – die heilige Zunge –, die Sprache, die aus der Grube der Dunkelheit aufgestiegen ist, aus der alle Gedanken und alle Worte ursprünglich gekommen sind. Die Moranth behaupten, sie wären mit uns Barghast verwandt – sie nennen uns ihre Gefallenen Verwandten. Dabei sind sie es, die gefallen sind, nicht wir. Sie, die einen schattigen Wald gefunden haben, in dem sie hausen. Sie, die sich die Alchemie der T’isten’ur zu Eigen gemacht haben. Sie, die vor langer Zeit Frieden mit den Dämonen geschlossen und Geheimnisse ausgetauscht haben, bevor sie sich in ihre Bergfesten zurückgezogen und angefangen haben, sich stets hinter ihren Insektenmasken zu verstecken. Frage mich nie wieder nach den Moranth, Wolf. Sie sind gefallen und reuelos. Nie wieder.«
    »Einverstanden, Cafal.« Itkovian richtete sich langsam auf. »Aber die Vergangenheit weigert sich, begraben zu bleiben – wie du hier sehen kannst. Die Vergangenheit verbirgt auch rastlose Wahrheiten, unangenehme Wahrheiten, genauso wie freudige. Sobald die ersten Enthüllungen stattgefunden haben … nun, Cafal, es gibt kein Zurück.«
    »Das habe ich inzwischen auch

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