SdG 04 - Die eisige Zeit
sich müde in den Sattel und lenkte das Pferd aus dem Innenhof. Die Nachmittagssonne hatte begonnen, kühle Schatten in die ausgebleichten Straßen der Stadt zu werfen. Fahls Bewohner kamen allmählich zum Vorschein, obwohl nur die wenigsten sich in der Nähe des malazanischen Hauptquartiers herumtrieben. Die Wachen begegneten jedem, der sich zu lange in ihrem Blickfeld aufhielt, mit erheblichem Misstrauen, und die schweren Armbrüste in ihren Händen waren immer gespannt.
Blut war am Eingang zum Hauptquartier vergossen worden, genau wie im Gebäude selbst. Ein Schattenhund hatte vor noch gar nicht allzu langer Zeit angegriffen und eine ganze Reihe toter Soldaten zurückgelassen. Parans Erinnerungen an jenes Ereignis waren noch immer bruchstückhaft. Flickenseel hatte die Bestie verjagt … und er hatte ihr dabei geholfen. Für die Soldaten, die damals gerade Wachdienst im Hauptquartier gehabt hatten, hatte sich allerdings eine friedliche Schicht in einen Albtraum verwandelt. Sie waren jämmerlich unvorbereitet überrumpelt worden, eine Achtlosigkeit, die sich nicht wiederholen würde. Natürlich könnte ein Schattenhund sie auch jetzt noch ohne große Anstrengung töten, doch zumindest würden sie dann kämpfend sterben, und nicht mit offenen Mündern dastehen und starren.
Paran sah, dass der Schnelle Ben, Fäustel und Spindel bereits auf ihren Pferden saßen und ihn erwarteten. Von den dreien kannte der Hauptmann Spindel am wenigsten. Der kleine, kahlköpfige Mann war sowohl ein Zauberer wie ein Sappeur, so hatte man es ihm zumindest erzählt. Seine ewig gleiche mürrische Stimmung lud nicht gerade dazu ein, sich mit ihm zu unterhalten, genauso wenig wie sein widerlich stinkendes grauschwarzes Haarhemd, das ihm bis zum Oberschenkel reichte – es war aus den Haaren seiner toten Mutter gewoben, wenn die Gerüchte stimmten. Als Paran sein Pferd an die Seite des Mannes lenkte, warf er einen Blick auf das Hemd. Beim Atem des Vermummten, es könnte tatsächlich aus den Haaren einer alten Frau sein! Die Feststellung verstärkte seine Übelkeit noch.
»Übernimm die Spitze, Spindel.«
»In Ordnung, Hauptmann – wir werden uns durch ein ziemliches Gewühl schieben müssen, wenn wir auf den Nordmarktring kommen.«
»Dann such einen Weg, wie wir ihn umgehen können.«
»Die Gassen sind nicht sicher, Hauptmann – «
»Dann greif auf dein Gewirr zurück und lass genug magische Energie herausströmen, dass einem die Haare zu Berge stehen. Das kannst du doch wohl, oder?«
Spindel warf einen Blick auf den Schnellen Ben. »Ah, Hauptmann, mein Gewirr … löst Dinge aus.«
»Schlimme Dinge?«
»Na ja, eigentlich nicht – «
»Dann tu, was ich sage, Soldat.«
»Zu Befehl, Hauptmann.«
Der Schnelle Ben ließ sich mit ausdruckslosem Gesicht ans Ende der kleinen Gruppe zurückfallen, während ein ebenso schweigsamer Fäustel an Parans Seite ritt.
»Hast du irgendeine Ahnung, was in Bruths Lager vor sich geht, Heiler?«, fragte der Hauptmann.
»Ich weiß nichts Genaues, Hauptmann«, entgegnete Fäustel. »Ich habe nur … Empfindungen.« Als Paran ihm einen fragenden Blick zuwarf, fuhr er fort. »Da drüben brodelt ein ziemliches … Gebräu aus Macht, Hauptmann. Das sind nicht nur Bruth und die Tiste Andii – die kenne ich. Und Kallor übrigens auch. Nein, da ist noch etwas anderes. Eine andere Präsenz. Alt … und doch neu. Vielleicht T’lan Imass …«
»T’lan lmass?«
»Es könnte sein … Um die Wahrheit zu sagen, Hauptmann, ich bin mir einfach nicht sicher. Doch diese Präsenz überstrahlt alle anderen.«
Bei diesen Worten begann Paran schwindlig zu werden.
Ganz in der Nähe kreischte eine Katze, und einen Augenblick später huschte ein grauer Blitz an ihnen vorbei, als das Tier an einem Gartenmäuerchen entlangrannte und dann verschwand. Weiteres Kreischen ertönte, diesmal von der anderen Seite der schmalen Straße.
Ein Schauer kroch Paran das Rückgrat hinauf. Er schüttelte sich.
»Was wir im Moment am allerwenigsten brauchen können, ist ein neuer Mitspieler. Die Situation ist auch so schon gespannt genug – «
Zwei wild ineinander verbissene Hunde purzelten ein kurzes Stück vor ihnen aus der Mündung einer Gasse. Eine Katze schoss voller Panik im Zickzack an den knurrenden, schnappenden Tieren vorbei. Alle Pferde scheuten plötzlich, als wären sie ein einziges Lebewesen, und legten die Ohren an. Im Rinnstein zu ihrer Rechten erblickte der Hauptmann mit weit aufgerissenen Augen eine Horde
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