SdG 04 - Die eisige Zeit
meisten alten Leute mögen die Hitze – meistens kann es ihnen gar nicht warm genug sein …
Hauptmann Paran sah den Schnellen Ben an der zerfressenen Wand neben dem Eingang zum Hauptquartier lehnen; der Magier hatte die Arme eng um den Oberkörper geschlungen und sah ziemlich schlecht gelaunt aus. Knapp zehn Schritte von ihm entfernt standen die vier Soldaten der Wachschicht und fühlten sich offensichtlich unbehaglich.
Paran führte sein Pferd am Zügel weiter, übergab es einem Stallknecht, der im Durchgang zum Innenhof auftauchte, und trat dann zum Schnellen Ben.
»Du siehst ziemlich elend aus, Magier – und das macht mich nervös.«
Der Mann aus dem Reich der Sieben Städte warf Paran einen finsteren Blick zu. »Ihr wollt bestimmt nicht wissen, warum, Hauptmann. Glaubt mir.«
»Wenn es die Brückenverbrenner betrifft, sollte ich es aber eigentlich hören, Ben.«
»Die Brückenverbrenner?« Der Magier stieß ein humorloses, bellendes Gelächter aus. »Es betrifft viel mehr als einfach nur ein paar nörgelnde Soldaten, Hauptmann. Im Augenblick habe ich allerdings noch keinerlei Lösung parat. Sowie ich die habe, werde ich Euch alles erklären. In der Zwischenzeit solltet Ihr Euch vielleicht ein frisches Pferd beschaffen – wir sollen uns in Bruths Lager mit Dujek und Elster treffen. Und zwar unverzüglich.«
»Die ganze Kompanie? Ich habe sie gerade erst dazu gebracht, sich endlich zur Ruhe zu begeben.«
»Nein, Hauptmann, nur Ihr, ich, Fäustel und Spindel. Ich vermute, es hat ein paar … ungewöhnliche Entwicklungen gegeben, aber fragt mich nicht, was für welche; ich weiß es nicht.«
Paran verzog das Gesicht.
»Ich habe bereits nach den anderen beiden geschickt, Hauptmann.«
»Sehr gut. Dann gehe ich mir ein frisches Pferd suchen.« Der Hauptmann drehte sich um, marschierte Richtung Innenhof und versuchte dabei, die brennenden Schmerzen in seinem Bauch nicht zu beachten. Es dauerte alles zu lange – die Armee hockte jetzt schon seit Monaten hier in Fahl, eine Tatsache, von der die Bewohner der Stadt alles andere als begeistert waren. Da Dujek – und mit ihm sein ganzes Heer – zum Ausgestoßenen erklärt worden war, war die Unterstützung durch das Imperium ausgeblieben, mit der man eigentlich gerechnet hatte, und solange es keine Entlastung gab, mussten sie die angespannte, unbehagliche Rolle als Besatzer weiterspielen.
Die malazanischen Eroberungsstrategien folgten Regeln, die gleichermaßen systematisch wie effektiv waren. So sollte die siegreiche Armee niemals auf Dauer an Ort und Stelle bleiben, sondern nur so lange für Ruhe und Ordnung sorgen, bis der Übergang zu einer fest verankerten und funktionierenden Zivilregierung im malazanischen Stil geschafft war. Die Armee war nicht dafür ausgebildet, zivile Kontrolle auszuüben – um dies zu erreichen, waren bürokratische Manipulationen am Wirtschaftssystem der eroberten Stadt weit besser geeignet. »Halt diese Fäden fest in der Hand, und die Leute werden für dich tanzen.« Das war eine der grundsätzlichen Überzeugungen des Imperators gewesen, und dass sie richtig war, hatte er wieder und wieder bewiesen; auch die Imperatrix schien an diesen Methoden nichts ändern zu wollen. Um diese Kontrolle zu erreichen, war es gleichermaßen wichtig, eine legale Führung einzusetzen und jeden Schwarzmarkt zu infiltrieren, den es zu diesem Zeitpunkt geben mochte. »Da man einen Schwarzmarkt niemals wirklich zerschlagen kann, ist es das Beste, ihn selbst zu beherrschen.« Und dies war Aufgabe der Klaue.
Aber es gibt hier keine Agenten der Klaue, oder? Genauso wenig wie Schreiberlinge. Wir beherrschen den Schwarzmarkt nicht. Wir schaffen es noch nicht einmal, die offizielle Wirtschaft richtig in den Griff zu bekommen, und wir kriegen erst recht keine vernünftige Zivilverwaltung auf die Beine. Und doch machen wir so weiter, als würden wir jeden Augenblick Unterstützung aus dem Imperium erhalten, auch wenn dem ganz und gar nicht so ist. Ich verstehe das alles nicht.
Ohne das Gold aus Darujhistan würde Dujeks Armee jetzt bereits hungern und die ersten Soldaten wären längst desertiert in der Hoffnung, wieder in den Schoß des Imperiums zurückzukehren, oder um sich einer Söldnerkompanie anzuschließen oder als Karawanenwächter zu arbeiten. Einarms Armee würde sich vor seinen Augen auflösen. Loyalität überlebt niemals einen knurrenden Magen.
Nach kurzem Durcheinander brachten die Stallknechte Paran ein neues Reittier. Er schwang
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