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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
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Schatten rechts vom Wagen, versuchte Murillios leblosen Körper zu entdecken.
    »Ich wandere nicht umher«, entgegnete der Krieger krächzend, wobei er immer noch auf die Gestalt zuschritt. »Ich jage. «
    »Uns? Aber wir haben uns nur so wenige genommen! Keine Zwanzig in dieser Stadt. Ritter des Todes, hat dein Herr nicht erst vor kurzem ein Mahl gehalten, dass ihn fast hätte platzen lassen? Und ich habe nur die bewusstlose Hexe gesucht – sie liegt in diesem Wagen. Schwebt am Rande der Kluft. Dein Herr hat – «
    »Sie ist nicht für Euch«, grollte der Krieger. »Ihr Geist wartet. Und die Geister ihrer versammelten Verwandten. Und die Tiere, deren Herzen leer sind. Alle warten. Sie ist nicht für Euch.«
    Die Luft in der Gasse war bitterkalt geworden.
    »Oh, nun denn«, seufzte der Angreifer. »Was ist mit diesem Kutscher und seinem Wächter? Ich könnte so viele Stücke von ihnen gebrauchen – «
    »Nein. Korbal Broach, hört die Worte meines Herrn. Ihr werdet die Untoten freigeben, die Euer Anwesen bewachen. Ihr und der Mann namens Bauchelain werdet diese Stadt verlassen. Noch heute Nacht.«
    »Wir hatten geplant, morgen früh aufzubrechen, Ritter des Todes – denn du bist doch der Ritter, oder? Das Hohe Haus Tod rührt sich, erwacht, wie ich jetzt spüre. Wir werden am Morgen aufbrechen, ja? Um diesen faszinierenden Armeen nach Süden zu folgen–«
    »Heute Nacht, oder ich werde über Euch kommen und Anspruch auf Eure Seelen erheben. Begreift Ihr das Schicksal, das mein Herr für Euch vorgesehen hat?«
    Coll sah zu, wie der kahlköpfige, bleichgesichtige Mann auf dem Wagen die Arme hob – die daraufhin verschwammen, sich zu mitternachtsdunklen Schwingen verbreiterten. Er kicherte. »Dann musst du uns aber zuerst fangen!« Alles wurde noch unschärfer – und plötzlich hockte an der Stelle, wo der Mann gestanden hatte, nur noch eine verwahrloste Krähe, die einen schrillen Schrei ausstieß, ehe sie mit kräftigen Flügelschlägen in die Höhe stieg und von der Dunkelheit verschluckt wurde.
    Der Krieger ging dorthin, wo Murillio lag.
    Coll holte tief Luft und versuchte, sein wild hämmerndes Herz zu beruhigen, dann mühte er sich unter Schmerzen auf die Beine. »Ich danke Euch, mein Herr«, brummte er und zuckte zusammen, als er etwas spürte, was am Morgen üble blaue Flecken an seiner rechten Schulter und an seiner Hüfte sein würden. »Lebt mein Freund noch?«
    Der Krieger, der – wie Coll jetzt bemerkte – die Überreste einer Gidrath-Rüstung trug, drehte sich zu ihm um. »Er lebt. Korbal Broach braucht sie lebendig … für seine Arbeit. Zumindest anfangs. Ihr werdet mit mir kommen.«
    »Oh. Als Ihr gesagt habt, dass Ihr jagt, hat dieser Zauberer angenommen, Ihr würdet ihn jagen. Aber dem war nicht so, stimmt’s?«
    »Die beiden sind ziemlich arrogant.«
    Coll nickte langsam. Er zögerte und sagte dann: »Vergebt mir, wenn ich ein wenig unverschämt sein sollte, aber ich wüsste gerne, was Ihr – oder was Euer Lord – mit uns vorhat? Wir müssen uns um eine alte Frau kümmern–«
    »Euch wird der Schutz meines Herrn gewährt werden. Kommt, der Tempel des Vermummten ist für Euch vorbereitet worden.«
    »Ich bin mir nicht sicher, wie ich das verstehen soll. Die Mhybe braucht Hilfe.«
    »Was die Mhybe braucht, könnt Ihr ihr nicht geben, Coll von Darujhistan.«
    »Kann der Vermummte es ihr geben?«
    »Der Körper der Frau muss erhalten werden. Sie muss mit Speise und Wasser versorgt und gepflegt werden. Das ist Eure Aufgabe.«
    »Ihr habt meine Frage nicht beantwortet.«
    »Folgt mir. Wir brauchen nicht weit zu gehen.«
    »Im Augenblick«, sagte Coll leise, »bin ich geneigt, etwas anderes zu tun.« Er griff nach seinem Schwert.
    Der Ritter des Todes neigte den Kopf zur Seite. »Sagt mir, Coll von Darujhistan, schlaft Ihr?«
    Der Daru runzelte die Stirn. »Natürlich. Was – «
    »Das habe ich einst auch getan. Ich muss es getan haben, nicht wahr? Aber jetzt, jetzt schlafe ich nicht mehr. Stattdessen gehe ich auf und ab. Ihr müsst verstehen, ich kann mich nicht daran erinnern, geschlafen zu haben. Ich weiß nicht mehr, wie es war.«
    »Oh … das tut mir Leid.«
    »Also haben wir hier einen, der nicht schläft … und da, in diesem Wagen, eine, die nicht aufwachen wird. Coll von Darujhistan, ich glaube, wir werden einander schon bald brauchen, diese Frau und ich.«
    »Inwiefern?«
    »Ich weiß es nicht. Kommt, wir haben es nicht weit.«
    Coll schob langsam sein Schwert wieder in die Scheide.

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