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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
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vernichtet. Und nur eine einzige fliegende Festung ist übrig geblieben, beschädigt, den Winden überlassen. Gothos hat geglaubt, sie sei in den Norden getrieben, mit dem Eis eines Jaghut-Winters kollidiert und dort eingefroren, für Jahrtausende gefangen. Bis sie vom Lord der Tiste Andii gefunden wurde.
    Verstehst du, Toc der Jüngere? Anomander Rake weiß nichts von Mondbruts wahren Kräften – Kräfte, auf die er nicht zurückgreifen kann, selbst wenn er von ihnen wüsste. Die liebe Mutter erinnert sich, oder zumindest ein Teil von ihr tut es. Natürlich hat sie nichts zu befürchten. Mondbrut ist nicht hier – nicht im Umkreis von zweihundert Längen – meine Geflügelten haben nach ihr gesucht, hoch über unseren Köpfen, mit Hilfe der Gewirre, überall. Der einzig mögliche Schluss ist der, dass Mondbrut geflohen ist oder schließlich seine Macht verloren hat – wurde die Festung über Fahl nicht beinahe zerstört? Zumindest hast du mir das erzählt.
    Du siehst also, Toc der Jüngere, dass deine malazanische Armee – einschließlich der lieben Mutter – niemanden schreckt. Einarms Heerhaufen wird beim Angriff auf Korall zerschmettert werden. Genau wie Bruth und seine Rhivi. Und darüber hinaus werden auch die Weißgesichter zerschlagen werden – sie haben nicht die nötige Disziplin für diese Art von Krieg. Sie alle werden mein sein. Und ich werde dich mit ein paar Bissen Fleisch von Dujek Einarm füttern – du würdet doch bestimmt gerne einmal wieder ein Stück Fleisch essen, oder? Etwas, das nicht wieder ausgewürgt wurde. Ja?«
    Er sagte nichts, obwohl sein Magen und seine Eingeweide sich vor Gier zusammenkrampften.
    Der Seher kauerte sich tiefer hin und legte eine Fingerspitze an Tocs Schläfe. »Es ist so leicht, dich zu brechen. Alles, woran du glaubst. Eines nach dem anderen. Fast schon zu leicht. Die einzige Erlösung, auf die du hoffen kannst, Toc der Jüngere, ist die, die ich dir gewähre. Das verstehst du doch jetzt, oder?«
    »Ja«, erwiderte er.
    »Sehr gut. Dann bete, dass Barmherzigkeit in meiner Seele wohnt. Es stimmt, ich selbst habe dort bisher keine gefunden, wobei ich allerdings zugeben muss, dass ich nicht sehr gründlich gesucht habe. Aber vielleicht existiert sie ja. Halte dich an der Hoffnung fest, mein Freund.«
    »Ja.«
    Der Seher richtete sich wieder auf. »Ich höre die Schreie meiner Mutter. Bring ihn zurück, Domänenser.«
    »Wie Ihr befehlt, Heiliger.«
    Starke Arme umfingen Toc den Jüngeren, hoben ihn ohne Mühe vom kalten Fußboden hoch.
    Er wurde aus dem Raum getragen. Im Korridor machte der Domänenser Halt.
    »Toc, hör mir bitte zu. Sie ist unten angekettet, und die Ketten reichen nicht durch den ganzen Raum. Hör zu. Ich setze dich außerhalb ihrer Reichweite ab. Ich werde dir Essen, Wasser und Decken bringen. Der Seher wird ihren Schreien wenig Beachtung schenken, denn in letzter Zeit schreit sie ständig. Und er wird auch ihren Geist nicht erforschen – es gibt sehr viel wichtigere Dinge, die ihn beschäftigen.«
    »Er wird Euch verschlingen lassen, Domänenser.«
    »Ich bin schon vor langer Zeit verschlungen worden, Malazaner.«
    »Das … das tut mir Leid.«
    Der Mann, der ihn in den Armen hielt, schwieg eine Zeit lang, und als er schließlich wieder sprach, brach seine Stimme beinahe. »Ihr … ihr bietet mir Mitleid, Toc der Jüngere. Der Abgrund soll mich holen, Toc, ich werde immer übertroffen. Erlaubt mir bitte, meine kleinen Bemühungen – «
    »Voller Dankbarkeit, Domänenser.«
    »Danke.«
    Er setzte sich wieder in Bewegung.
    »Sagt mir, Domänenser, hält das Eis das Meer immer noch in seinem Griff?«
    »Zumindest im Umkreis einer Länge nicht mehr, Toc. Unerwartete Veränderungen in den Strömungen haben den Hafen frei gemacht. Aber die Stürme wüten immer noch über der Bucht, und das Eis weiter draußen donnert und knirscht noch immer, als führten zehntausend Dämonen Krieg. Könnt Ihr es nicht hören?«
    »Nein.«
    »Nun gut, ich gebe zu, es ist hier nur noch ganz schwach zu vernehmen. Auf der Brustwehr der Festung ist es fast wie ein Angriff.«
    »Ich … ich kann mich an den Wind erinnern …«
    »Der erreicht uns nicht mehr. Noch eine andere unberechenbare Laune, für die ich dankbar bin.«
    »In der Höhle der Matrone«, sagte Toc, »gibt es keinen Wind.«
    Holz zersplitterte, ein Übelkeit erregendes Geräusch, das das ganze Bauwerk erbeben ließ. Lady Missgunst hielt in ihrem Aufstieg zu dem abgerissenen, zerborstenen Ende der

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