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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
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Straße hin inne. Die Neigung war plötzlich steiler geworden, und der Frost machte die Pflastersteine unter ihren Sohlen schlüpfrig. Sie zischte ärgerlich, griff dann auf ein Gewirr zurück und schwebte zum äußersten Rand hinüber, wo Lanas Tog stand.
    Die T’lan Imass schwankte nicht einmal auf ihrem gefährlichen Aussichtspunkt. Der Wind riss an ihren herabhängenden Hautfetzen und den knochenweißen Haaren. Die Schwerter, die noch immer ihren Oberkörper durchbohrten, glitzerten vom Reif.
    Als sie an ihre Seite trat, konnte Lady Missgunst die Ursache der schrecklichen, knackenden Geräusche genauer erkennen. Eine große Eisscholle war mit ihnen zusammengestoßen, mahlte in einem spritzenden Wirbel aus Wasser und Eis an der Basis entlang.
    »Ach je«, murmelte Lady Missgunst. »Es scheint, als würden wir immer weiter nach Westen geschoben.«
    »Aber wir treiben nichtsdestotrotz auf Land zu«, erwiderte Lanas Tog. »Und das reicht.«
    »Zwanzig Längen von Korall, bei diesem Kurs, und alles Wildnis, vorausgesetzt dass ich mich recht an die Karte dieser Region erinnere. Leider war ich des Laufens so müde. Habt Ihr Euch unseren Wohnsitz schon einmal angeschaut? Abgesehen von den schiefen Fußböden und der beunruhigenden Aussicht durch die Fenster ist es durchaus prächtig. Ich kann Unbehagen nicht ertragen, müsst Ihr wissen.«
    Die T’lan Imass antwortete nicht und starrte weiter nach Nordwesten.
    »Ihr seid alle gleich«, schniefte Lady Missgunst. »Es hat Wochen gedauert, bis Tool endlich in Redelaune war.«
    »Ihr habt diesen Namen schon einmal erwähnt. Wer ist Tool?«
    »Onos T’oolan, das Erste Schwert. Das letzte Mal, als ich ihn zu Gesicht bekommen habe, sah er mitgenommener aus als Ihr, meine Liebe, also besteht noch Hoffnung für Euch.«
    »Onos T’oolan. Ich habe ihn nur einmal gesehen.«
    »Zweifellos bei der Ersten Zusammenkunft.«
    »Ja. Er hat sich gegen das Ritual ausgesprochen.«
    »Und deshalb hasst Ihr ihn natürlich.«
    Die T’lan Imass antwortete nicht sofort. Das Gebilde unter ihnen bockte wild; es neigte sich zu ihrer Seite hin, als die Eisscholle sich losriss, und hob sich dann wieder. Lanas Tog wankte nicht einmal. »Ihn hassen?«, sagte sie jetzt. »Nein. Ich war natürlich anderer Meinung. Wir alle waren anderer Meinung, also hat er sich gefügt. Es ist eine weit verbreitete Ansicht.«
    Lady Missgunst wartete einen Augenblick, dann verschränkte sie die Arme und fragte: »Was?«
    »Dass Wahrheit durch die Mehrheit bewiesen wird. Das, was viele für richtig halten, muss auch richtig sein. Sollte ich Onos T’oolan noch einmal begegnen, werde ich ihm sagen, dass er derjenige war, der Recht gehabt hat.«
    »Ich glaube nicht, dass er einen Groll hegt, Lanas Tog. Und wenn ich es mir recht überlege, nehme ich an, dass ihn das unter den T’lan Imass zu einer Ausnahme macht, oder nicht?«
    »Er ist das Erste Schwert.«
    »Ich habe eine weitere, ebenso frustrierende Unterhaltung mit Mok geführt. Ich habe mich gefragt, versteht Ihr, warum er und seine Brüder Euch noch nicht zum Kampf herausgefordert haben. Sowohl Senu als auch Thurule haben gegen Tool gekämpft – und verloren. Mok wäre der Nächste gewesen. Es hat sich herausgestellt, dass die Seguleh nicht gegen Frauen kämpfen, es sei denn, sie werden angegriffen. Also – greift sie nicht an …«
    »Ich habe keinen Grund dafür, Lady Missgunst. Sollte ich allerdings einen finden – «
    »In Ordnung, dann muss ich ein bisschen deutlicher werden. Tool wurde sowohl von Senu wie von Thurule hart bedrängt. Gegen Mok, nun, da wäre es wahrscheinlich unentschieden ausgegangen. Seid Ihr dem Ersten Schwert ebenbürtig, Lanas Tog? Wenn Ihr die Zweite Zusammenkunft tatsächlich an einem Stück erleben wollt, um Eure Botschaft zu überbringen, dann solltet Ihr ein wenig Zurückhaltung üben.«
    Eisen knirschte gegen Knochen, als Lanas Tog die Schultern zuckte.
    Lady Missgunst seufzte. »Was ist wohl bedrückender? Zu versuchen, mit Euch und den Seguleh ein zivilisiertes Gespräch zu führen oder in die leidenden Augen einer Wölfin zu starren? Über Garaths Laune kann ich überhaupt nichts sagen, denn das Biest scheint immer noch böse auf mich zu sein.«
    »Die Ay ist erwacht«, sagte Lanas Tog.
    »Ich weiß, ich weiß, und mein Herz weint wahrhaftig um ihretwillen, oder zumindest um der unglücklichen Göttin willen, die ihr innewohnt. Aber andererseits verdienen beide ein paar Tränen, oder nicht? Eine Ewigkeit allein – das kann

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