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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
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eine Woge von unermesslicher Höhe, stieg, türmte sich auf, stürzte dann auf ihn zu. Und sie sahen es alle. Sie sahen das Lächeln, mit dem Itkovian ihn willkommen hieß.
     
    Mondbrut stieg, in Dunkelheit gehüllt, jenseits der Stadt in die Höhe. Caladan Bruth starrte hinüber. Wirbelnde Nebelschwaden, Ströme von Wasser, die langsam versiegten. Jetzt erschienen Drachen, rasten davon, schwarz, einer karmesinrot, Wogen von Kurald Galain schlugen zu, verbrannten die dämonischen Kondore.
    Mondbrut, sich neigend – ein gewaltiges Stück mitternachtsschwarzen Steins brach an einer Seite ab, ließ das ganze Gebilde schwanken – sich neigend, vorwärts gleitend, auf die Festung zu -
    Auf dem Todesstreifen unter ihm hatten die verstreuten Überreste der Soldaten – Malazaner, Barghast, Graue Schwerter, Grantl und die Handvoll seiner Anhänger, die alles waren, was noch von seiner Legion übrig war – die Steinbrücke überquert und sammelten sich am zerschmetterten Nordtor. Ungehindert. Die Mauer östlich des Tores war frei von Magiern, von allem – war leer gefegt.
    Feuer erhellten die Stadt jenseits der Mauer. Der Himmel füllte sich mit Schwarzen Moranth, Großen Raben – Kurald Galain breitete sich aus, strömte hinab, auf Korall nieder -
    Eine wirkliche Enthüllung. Alle Tiste Andii, vereint in ritueller Magie – so etwas hat die Welt noch nie gesehen – in all den Jahrtausenden seit ihrer Ankunft hat die Welt noch nie so etwas gesehen. Bei Brands Herz, was wird aus dieser Enthüllung hervorgehen?
    Er starrte weiter zur Stadt hinüber, und ihn überfiel eine gewaltige, seelenbetäubende Hilflosigkeit.
     
    Die Macht floss auf Korlat zu. Ihre Augen blitzten, als sie und ihr Bruder auf den kalten, vertrauten Strömungen von Kurald Galain dahinglitten, Mondbrut entgegen.
    Oh, die Festung starb – das konnte sie sehen. Sie starb, doch noch hatte sie ihre schreckliche, tödliche Aufgabe nicht vollendet.
    Sie sah, wie sie vorwärts glitt, wie sie näher an die Brustwehr der Festung heranschwebte – dorthin, wo, wie sie jetzt sehen konnte, der Seher stand –, der Jaghut, der den Finnest der Matrone umklammerte und reglos nach oben starrte, während der schwarze, drohende Berg unerbittlich näher kam.
    Dunkelheit war zu dieser Welt gekommen. Zu diesem Ort, dieser Stadt.
    Dunkelheit, die nie wieder verschwinden würde.
    Korall. Schwarzes, schwarzes Korall …
     
    Es dauerte nicht länger als ein halbes Dutzend Herzschläge, bis Lady Missgunst klar wurde – als sie die Brückenverbrenner unter dem Angriff der Urdomen zu Grunde gehen sah –, dass sie Tippas letzte Bemerkung missverstanden hatte. Keine Zuversicht, nicht einmal gespielte Tapferkeit. Sondern eine Bemerkung voller Fatalismus, zweifellos typisch für diese Soldaten, für Lady Missgunst jedoch vollkommen neu.
    Als ihr diese Einsicht kam, handelte sie. Eine kleine Geste mit einer Hand.
    Genug, um das Fleisch der Urdomen aufplatzen zu lassen.
    Sie brachen samt und sonders zusammen.
    Doch der Schaden war bereits angerichtet.
    Nur zwei Brückenverbrenner standen noch, und beide waren verwundet.
    Sie schaute zu, als sie damit begannen, ihre gefallenen Kameraden zu untersuchen, schließlich einen aus dem Gewühl zogen. Dann war also nur noch einer unter den Gefallenen, der noch atmete.
    Schwere Schritte im Korridor, die schnell näher kamen.
    Lady Missgunst machte ein finsteres Gesicht, hob erneut die Hand»Wartet!«, schrie Tippa. »Das ist Fäustel! Spin! Kommt hierher, ihr Bastarde!«
    Hinter den ersten beiden, die aufgetaucht waren – Fäustel und Spin, wie sie annahm –, stolperten noch zwei weitere Soldaten in der Uniform der Brückenverbrenner einher. Alle waren schrecklich zugerichtet – besonders der Barghast, dessen Rüstung nur noch aus Fetzen bestand und dessen ganzer Körper eine Masse aus Schnittwunden und klaffenden Löchern war. Noch während sie ihn ansah, stolperte er, sank auf die Knie, bleckte die Zähne in einem blutverschmierten Grinsen.
    Und starb.
    »Fäustel!«
    Der große Mann, der vorneweg gegangen war, wirbelte herum, geriet bei der plötzlichen Bewegung ins Taumeln – und Lady Missgunst bemerkte, dass er dicht unterhalb der rechten Schulter von einem Schwertstoß durchbohrt worden war. Er stolperte auf den Barghast zu.
    »Ich fürchte, es ist zu spät für ihn«, rief Lady Missgunst. »Und du, Heiler – Fäustel –, du bist fertig, was dein Gewirr angeht, und du weißt es. Kommt her zu mir, und ich tue euch den Gefallen.

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