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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
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möglich gehalten hätte. Er war regelrecht in Stücke gehackt worden. Doch er wankte nicht einmal, als er auf den Heiler herabgrinste. »Verwundet hab ich dich? Gut.«
    Fäustel verzog das Gesicht. »Ich weiß schon, was du meinst, du blauzahniger Hirtenhund. Warum solltest nur du den ganzen Spaß haben?«
    »Klar. Wo sind Fahrig und Det und Spin?«
    »Auf dem nächsten Absatz. Det ist tot. Außerdem werden wir Fahrig tragen müssen. So wie’s sich anhört, sucht Spindel immer noch nach einem neuen Helm.«
    »Die sind bestimmt alle zu groß«, grollte Trotter. »Wir müssen die Küche finden – vielleicht passt ihm ein Becher.«
    Fäustel stieß sich von der Wand ab. »Gute Idee. Machen wir, dass wir hier wegkommen.«
    »Diesmal gehe ich voraus – Köche sind gefährlich.«
    Der Barghast, dem das Blut aus unzähligen Wunden strömte, schob sich an dem Heiler vorbei.
    »Trotter?«
    Er blieb stehen. »Ja?«
    »Spin hat gesagt, fast zwei Dutzend.«
    »Ja.«
    »Alle tot?«
    »Vielleicht die Hälfte. Der Rest ist davongelaufen.«
    »Du hast sie zu Tode erschreckt, was?«
    »Spins Haarhemd, würde ich sagen. Und jetzt komm, Heiler.«
     
    Tocs Kopf baumelte, die Szene hob und senkte sich, als der T’lan Imass ihn den von Fackeln erleuchteten Korridor entlangtrug. Gelegentlich stieg Tool über eine Leiche oder auch zwei hinweg.
    Mein Bruder. So hat er mich genannt.
    Ich habe keinen Bruder.
    Nur eine Mutter.
    Und einen Gott. Seher, wo bist du? Willst du jetzt nicht kommen und mich holen? Der Wolf stirbt. Du hast gewonnen. Befreie mich, Allesbeherrscher. Befreie mich, damit ich durch das Tor des Vermummten schreiten kann.
    Sie kamen an einen gewölbten Torweg, dessen Tür zerschmettert auf dieser Seite lag. Bretter, die noch immer von den aufgenagelten Bronzestreifen zusammengehalten wurden, gaben nach, als Tool über sie hinwegschritt. Ein großes Zimmer mit Kuppeldecke und zwanzig Schritt Durchmesser lag vor ihnen. Es war einst voller fremdartiger Mechanismen gewesen – Maschinen, wie sie Folterer benutzten –, doch sie waren alle kurz und klein geschlagen und beiseite geworfen worden, so dass sie nun wie Tiere mit gebrochenen Knochen an den Wänden lehnten.
    Opfer der Wut … war hier Tool am Werk gewesen? Dieses untote, gefühllose … Ding?
    Plötzlich war vom gegenüberliegenden Eingang Schwertgeklirr zu hören.
    Der T’lan Imass blieb stehen. »Ich muss dich jetzt absetzen.«
    Absetzen. Ja. Es ist Zeit.
    Toc drehte den Kopf, als Tool ihn langsam auf die Steinfliesen legte. Eine Gestalt stand im Eingang auf der anderen Seite des Zimmers. Maskiert, weißes Emaille, mit zwei Strichen. In jeder Hand ein Schwert. Oh, ich kenne dich, oder?
    Die Gestalt sagte nichts, wartete einfach nur, bis Tool ein paar Schritte von Toc weggegangen war. Der zerschlagene T’lan Imass zog sein zweihändiges Feuersteinschwert aus seiner Schulterschlinge und sagte: »Mok, Dritter der Seguleh, wenn Ihr mit mir fertig seid, würdet Ihr dann Toc den Jüngeren von hier wegbringen?«
    Toc lag auf der Seite und sah, wie der maskierte Krieger zustimmend den Kopf neigte. Mok, du verdammter Narr. Du wirst gleich meinen Freund töten … meinen Bruder.
    Verschwommene Bewegungen, zwei Krieger, die zu schnell aufeinander losstürzten, als dass Toc ihnen mit seinem einen Auge hätte folgen können. Eisen sang gegen Stein. Funken schossen durch das Dämmerlicht, beleuchteten in einem kurzen Aufblitzen die zerbrochenen Folterwerkzeuge, die sie umgaben – Schatten tanzten über das Durcheinander aus Holz und Metall, und für Toc war es, als würde all der angehäufte Schmerz, den diese Mechanismen im Laufe ihres Daseins in sich aufgesaugt hatten, mit einem Mal freigesetzt.
    Von den Funken.
    Von den beiden Kriegern … und allem, was ihre verborgenen Seelen umhüllte.
    Befreit, sich windend, tanzend, toll – verrückt, rasend als Antwort …
    Als Antwort …
    Irgendwo in seinem Innern – während der Kampf weiterging und der maskierte Krieger den T’lan Imass zurücktrieb, immer weiter zurücktrieb – rührte sich der Wolf.
    Gefangen. In diesem gebeugten, aber unterbrochenen Mechanismus, diesem Folterkäfig aus Knochen … Er sah, ganz nah vor sich, die zerschmetterten Umrisse von … etwas. Ein Balken, massiv, die Enden mit schwarzen gehämmerten Bronzekappen versehen. Wo etwas verschmiert war – Fleisch, Fleisch und Haar.
    Käfig.
    Toc der Jüngere zog seine verkrüppelten Beine unter sich, stemmte einen von Eiterpusteln übersäten,

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