SdG 05 - Der Tag des Sehers
die einen nicht zur Ruhe kommen ließen.
Wir waren brüchig. Sind schon vor Monaten vernichtet worden, vor den Mauern von Fahl, es hat nur so lange gedauert, bis die wenigen von uns, die noch übrig waren, das kapiert haben. Igel, Trotter, Detoran. Leichname, die noch immer salutiert haben -
Blend ließ sich neben ihr vernehmen. »Ich habe den Rhivi auf unserem Wagen gesagt, sie sollen auf dieser Seite des Nordtors warten.«
Unser Wagen. Der Wagen mit den toten Brückenverbrennern.
Als Erste rein.
Als Letzte raus.
Zum allerletzten Mal.
Ein Lichtblitz aus den Trümmern der Festung. Ein Gewirr öffnete sich, aus dem Gestalten auftauchten. Ein mit Narben bedeckter Hund – er sah aus wie ein Hirtenhund –, gefolgt von Lady Missgunst und zwei Seguleh, die einen dritten maskierten Krieger mitschleppten.
»Tja«, murmelte Blend, »das war’s dann ja wohl, oder?«
Tippa war sich nicht sicher, was Blend meinte, hatte aber auch keine Lust, lange darüber nachzudenken.
Lady Missgunst hatte sie gesehen. »Mein lieber Leutnant! Was für eine Erleichterung, Euch wohlbehalten zu sehen. Könnt Ihr die Unverfrorenheit dieses weißhaarigen, schwertversessenen – «
»Meinst du mich?«, fragte eine tiefe Stimme.
Anomander Rake trat durch das Zwielicht zu ihnen. »Wenn ich gewusst hätte, dass du in der Festung warst, Lady Missgunst, hätte ich Mondbrut ganz heruntergebracht.«
»Oh, wie kannst du nur so etwas sagen?«
»Was tust du hier?«, fragte der Sohn der Dunkelheit grollend.
»Oh, dies und das, mein Liebster. Du siehst heute Nachmittag besonders kriegerisch aus – es ist doch immer noch Nachmittag, oder? Das ist hier wirklich nicht leicht zu erkennen.«
»Oh«, flüsterte Blend, »die beiden kennen sich aber schon lange.«
»Tatsächlich?«, knurrte Tippa leise, »und woran merkst du das?« Verdammte Lady – sie hat noch nicht mal einen einzigen Fleck auf der Telaba. Nun, das ist eine ganz andere Welt als meine. Und doch haben wir Seite an Seite in jenem Korridor gestanden.
Anomander Rake musterte die Frau, die vor ihm stand. »Was willst du, Missgunst?«
»Also, ich habe einen halben Kontinent durchquert, du undankbarer Mann, um dir Worte von lebenswichtiger Bedeutung zu überbringen.«
»Dann lass sie hören.«
Lady Missgunst blinzelte, schaute sich um. »Hier, mein Liebster? Sollten wir das nicht irgendwo besprechen, wo wir mehr … unter uns sind?«
»Nein. Ich habe noch viel zu tun. Also heraus damit.«
Sie verschränkte die Arme. »Na schön, obwohl die Götter wissen, warum ich mir die Mühe mache, tapfer meine großzügige Stimmung aufrecht zu erhalten – «
»Missgunst.«
»Nun gut. Dann höre meine Worte, Träger von Dragnipur. Mein teurer Vater Draconus schmiedet Pläne, um den Ketten im Innern des Schwertes zu entfliehen. Woher ich das weiß? Blut flüstert, Anomander.«
Der Lord von Mondbrut gab einen undefinierbaren Laut von sich. »Ich bin überrascht, dass er so lange gebraucht hat. Nun, was ist damit?«
Missgunsts Augen weiteten sich. »Ist diese gespielte Tapferkeit schon Wahnsinn? Nur für den Fall, dass du es vergessen hast – wir haben uns verdammt angestrengt, um ihn das erste Mal zu erschlagen.«
Tippa warf Blend einen Blick zu, sah, dass die Soldatin Rake und Missgunst mit offenem Mund anstarrte.
»Ich kann mich nicht erinnern, dass du damals viel getan hättest«, meinte Anomander Rake. »Du hast daneben gestanden und dem Kampf zugesehen – «
»Genau! Und was glaubt du, was mein Vater davon gehalten hat?«
Der Lord von Mondbrut zuckte die Schultern. »Er hat dich gut genug gekannt, um dich nicht um Hilfe zu bitten, Missgunst. Wie auch immer, ich werde deine Warnung beherzigen, aber ich kann herzlich wenig tun, zumindest so lange es Draconus nicht wirklich gelingt, sich zu befreien.«
Die dunklen Augen der Frau verengten sich. »Sag mir, mein Lieber, was weißt du – wenn überhaupt – vom Herrn der Drachenkarten?«
Rake zog die Augenbrauen hoch. »Von Ganoes Paran? Dem Sterblichen, der im Innern von Dragnipur gewandelt ist? Dem Mann, der zwei Schattenhunde durch das Tor nach Kurald Galain geschickt hat?«
Missgunst stampfte mit dem Fuß auf. »Du bist unausstehlich.«
Der Lord der Tiste Andii wandte sich ab. »Wir haben uns lange genug unterhalten, Missgunst.«
»Sie werden nach einer Möglichkeit suchen, das Schwert zu zerschmettern.«
»Ja, das ist gut möglich.«
»Dein Leben hängt von der Laune eines Sterblichen ab.«
Anomander Rake hielt inne, warf
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