Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
Vom Netzwerk:
festzuschnallen und die stützende Schlinge über seine Schulter zu ziehen.
    Der Schild-Amboss klappte sein Visier herunter und ließ dann das Schwert aus der Scheide gleiten, während Hauptmann Norul den fünf Trupps, die um Itkovian herumstanden, Anweisungen erteilte.
    »Diejenigen mit Armbrüsten in die zweite Reihe, verhaltet Euch unauffällig und haltet Eure Waffen gespannt, aber behaltet sie noch unten. Die vorderste Linie mit überlappenden Schilden, Schwerter bereit. Alle Visiere runter. Herr«, wandte sie sich an Itkovian, »wir sind bereit.«
    Er nickte, sagte zu der Rekrutin: »Ihr müsst an meiner linken Seite bleiben. Und jetzt – vorwärts, in meinem Tempo.«
    Langsam schritt er die vom Regen glitschige Rampe hinauf.
    Fünfunddreißig schweigende Soldaten folgten ihm.
    Ins Vorzimmer, einen quadratischen Raum mit hoher Decke, der von einer einzigen flackernden Fackel erleuchtet wurde, die rechts an der Wand in einer Halterung brannte. Die beiden Trupps, die für das Zimmer eingeteilt waren, huschten nach beiden Seiten davon, während der Schild-Amboss mit seinen Soldaten quer durch den Raum auf die breite Doppeltür zumarschierte, die in den Großen Saal führte. Das Prasseln des strömenden Regens begleitete sie.
    Vor ihnen, gedämpft durch die dicken Eichentüren, waren Stimmen zu hören. Gelächter, in dem ein Unterton von Hysterie mitschwang. Das Knistern von brennendem Holz.
    Itkovian blieb nicht stehen, als er den Eingang erreichte; er benutzte seinen Schild und die gepanzerte Faust, um die Türflügel aufzustoßen. Noch während er hindurchtrat, schwärmten die Trupps hinter ihm zu beiden Seiten aus, um dieses Ende des langen Raums mit der gewölbten Decke einzunehmen.
    Gesichter wandten sich den Eindringlingen zu. Abgemagerte, in Lumpen gekleidete Gestalten erhoben sich taumelnd von den Stühlen an beiden Seiten des langen Tischs. Besteck klapperte, und Knochen fielen zu Boden. Eine Frau mit wirren Haaren kreischte schrill und krabbelte dann wie wahnsinnig auf den jungen Mann zu, der auf Fürst Jelarkans Thron saß.
    »Gütige Mutter«, sagte der Mann mit krächzender Stimme und streckte eine glänzende, fettverschmierte Hand nach ihr aus, ohne dabei den Blick seiner leicht gelblich verfärbten Augen von Itkovian zu wenden, »sei ganz ruhig.«
    Sie packte mit beiden Händen die ihr hingehaltene Hand, fiel wimmernd auf die Knie.
    »Das sind doch nur Gäste, Mutter. Auch wenn sie leider zu spät kommen, um an dem … fürstlichen Mahl teilzunehmen.«
    Irgendjemand stieß ein schrilles Lachen aus.
    Mitten auf dem Tisch stand eine große Silberplatte, in der man mit abgebrochenen Stuhlbeinen und Bilderrahmen ein Feuer gemacht hatte; jetzt war fast nur noch Holzkohle übrig. Darüber befand sich ein Bratspieß mit den Überresten eines gehäuteten menschlichen Rumpfs, der jetzt allerdings nicht mehr gedreht wurde, so dass die Unterseite schwarz war. Die Beine waren an den Knien abgetrennt, die Oberschenkel mit Kupferdraht zusammengebunden. Die Arme waren an den Schultern ausgerissen worden, obwohl auch sie zuvor gefesselt gewesen waren. Der Kopf war noch da, gespalten und verkohlt.
    Überall waren Fleischstücke herausgeschnitten worden – an Oberschenkeln, Gesäßbacken, Brust, Rücken, Gesicht. Doch dies hier war kein Mahl gewesen, das aus Hunger stattgefunden hatte, das wusste Itkovian. Die Tenescowri in diesem Raum sahen besser genährt aus als alle anderen, die er bisher gesehen hatte. Nein, das hier war eine Feier gewesen.
    Links vom Thron stand halb im Schatten verborgen ein aus zwei Piken gemachtes, X-förmiges Kreuz. Darüber war Fürst Jelarkans Haut gespannt.
    »Der teure Fürst war tot, bevor wir angefangen haben, ihn zu rösten«, sagte der junge Mann auf dem Thron. »Wir sind schließlich nicht absichtlich grausam. Ihr seid nicht Brukhalian, denn Brukhalian ist tot. Ihr müsst Itkovian sein, Feners so genannter Schild-Amboss.«
    Hinter dem Thron tauchten Domänenser auf, in fahlen, fellgefütterten Rüstungen und Helmen, die Gesichter hinter vergitterten Gesichtsmasken verborgen, schwere Streitäxte in den gepanzerten Fäusten. Vier, acht, ein Dutzend. Zwanzig. Und es kamen immer noch mehr.
    Der Mann auf dem Thron lächelte. »Eure Soldaten sehen … müde aus. Als wären sie dieser besonderen Aufgabe nicht gewachsen. Wisst Ihr, wer ich bin, Itkovian? Ich bin Anaster, das Erste Kind des Toten Samens. Sagt mir, wo sind die Bürger dieser Stadt? Was habt Ihr mit ihnen gemacht? Oh, lasst

Weitere Kostenlose Bücher