SdG 05 - Der Tag des Sehers
außer dem T’lan Imass, der die Einsamkeit fürchtet. Weshalb sollte er sonst bei seinen Gefährten bleiben? Die vom Eis verschlungen sind. Hilflos. Erstarrt. Die Seguleh – es gibt keinen Grund, sie zu fürchten. Hat nie einen gegeben. Ich habe nur gespielt. Und die Frau! Meine mit Raureif überzogene, wunderschöne Statue. Der Wolf und der Hund sind verschwunden. Geflohen. Ja, dein Verwandter, der Bruder deiner Augen … ist geflohen. Den Schwanz zwischen die Beine geklemmt. Hahaha!
Und wieder.
Deine malazanische Armee kommt zu spät! Zu spät, um Capustan zu retten! Die Stadt gehört mir. Die Soldaten – deine Kameraden – sind immer noch eine Woche entfernt. Wir werden sie erwarten. Wir werden sie so empfangen, wie wir alle Feinde empfangen.
Ich werde dir den Kopf des malazanischen Generals bringen. Ich werde dir sein gebratenes Fleisch bringen, und wir beide, du und ich, werden noch einmal zusammen speisen.
Wie viel Blut kann eine Welt vergießen? Hast du dich das jemals gefragt, Toc der Jüngere? Sollen wir es uns ansehen? Dann lass es uns ansehen. Du und ich, und die liebe Mutter hier – oh, ist das Entsetzen, was ich da in ihren Augen sehe? Es scheint, als säße irgendwo in ihrem verfaulten Hirn immer noch ein Fünkchen Verstand. Wie unglücklich … für sie.
Und jetzt kehrte er nach langer Abwesenheit ein weiteres Mal zurück. Die falsche Haut des alten Mannes spannte sich straff über dem unmenschlichen Gesicht. Die Hauer waren wie durch eine durchsichtige Hülle zu erkennen. Die Augen brannten, diesmal jedoch nicht vor Schadenfreude.
Betrug! Das sind keine sterblichen Wesen! Wie können sie es wagen, meine Verteidigungsanlagen anzugreifen! Hier, direkt vor diesen Toren! Und jetzt ist der T’lan Imass verschwunden – ich kann ihn nirgendwo sehen! Kommt er auch?
So soll es denn sein. Sie werden dich nicht finden. Wir machen eine Reise, wir drei. Nach Norden, weit außerhalb ihrer Reichweite. Ich habe ein … ein anderes Nest für euch beide vorbereitet.
Die Unannehmlichkeit …
Doch Toc hörte ihm nicht länger zu. Seine Gedanken waren weggerissen worden. Er sah sprödes weißes Sonnenlicht, ein schmerzhaftes Leuchten, das eisumhüllten Bergen und unter Schneeflüssen begrabenen Tälern entströmte. Am Himmel kreisten Kondore. Und dann, viel näher, war da Rauch; hölzerne Bauwerke zerbarsten, steinerne Mauern stürzten ein. Gestalten rannten durcheinander, schrien. Rote Flecken erschienen auf dem Schnee, füllten die milchigen Pfützen einer kiesbestreuten Straße.
Der Blickwinkel – Augen, die durch einen roten Schleier sahen – veränderte sich, schwang zu einer Seite. Ein schwarz und grau gesprenkelter Hund hielt Schritt; seine Schultern befanden sich in Augenhöhe der gerüsteten Gestalten, die er mit schattenhafter Wildheit in Stücke riss. Die Kreatur lief auf ein zweites Tor zu, ein bogenförmiges Portal am Fuß einer hoch aufragenden Festung. Niemand konnte ihr standhalten, niemand konnte sie aufhalten.
Grauer Staub stieg wirbelnd von den Schultern des Hundes auf. Wirbelte weiter. Drehte sich, verwandelte sich in Arme, in Beine, die sich um die Flanken des Hundes schlangen, einen Kopf mit einem Knochenhelm, ein zerrissenes Fell, das wie ein zerfetzter Flügel hinter ihm herflatterte. Ein hoch erhobenes gewelltes Schwert, das die Farbe von altem Blut hatte.
Seine Knochen sind in Ordnung, sein Fleisch nicht. Mein Fleisch ist in Ordnung, meine Knochen nicht. Sind wir Brüder?
Hund und Reiter – eine albtraumhafte Vision – krachten gegen das große, mit Eisenbändern verstärkte Tor.
Holz barst. Im dämmrigen Licht des Torwegs kam das Grauen über einen zurückweichenden Haufen von Domänensern.
In großen Sätzen auf das geborstene Portal zueilend, sah Toc durch die Augen des Wolfs, blickte in die Schatten, wo große, reptilhafte Gestalten zu beiden Seiten des Hundes und seines untoten Reiters in sein Blickfeld traten.
Die K’ell-Jäger hoben ihre breiten Klingen.
Zähnefletschend schoss der Wolf los. Sein Augenmerk war auf das Tor gerichtet; dort war jede Einzelheit so scharf wie zerbrochenes Glas, während zu den Seiten hin alles verschwamm. Eine leichte Gewichtsverlagerung brachte ihn zu dem K’ell-Jäger, der den Hund und seinen Reiter von links angriff.
Die Kreatur schwenkte herum, die Schwerter schlugen zu, um seinen Angriff aufzuhalten.
Der Wolf duckte sich unter ihnen hindurch, sprang dann mit weit aufgerissenen Fängen hoch. Sein Maul füllte sich mit
Weitere Kostenlose Bücher