SdG 05 - Der Tag des Sehers
Offiziere gab, könnte das ziemlich übel werden. Andererseits, wenn da wirklich ein paar fähige Offiziere dabei wären, würden die Trupps nicht so auf einem Haufen hocken …
Die Sappeure waren in Deckung gegangen. Der Hauptmann konnte sie nicht mehr sehen. Während er die Hand um den Schwertgriff legte, warf er einen Blick über die Schulter, um sich nach den restlichen Brückenverbrennern umzusehen. Tippa stand ziemlich weit vorn, und sie sah aus, als hätte sie Schmerzen. Er wollte sie schon fragen, was los sei, da dröhnten die Explosionen durch die Nacht. Der Hauptmann wirbelte herum.
Im Licht der nun zerstörten Feuerstellen waren zuckende Leiber zu erkennen.
Trotter stieß einen schrillen, tremolierenden Kriegsschrei aus.
Die Brückenverbrenner stürmten vorwärts.
Weitere Splitterbomben explodierten, jetzt mehr zu den Seiten hin, mähten die um die angrenzenden Feuerstellen zusammengedrängten, verwirrten Soldaten nieder.
Paran sah die dunklen Umrisse der Sappeure, die direkt vor ihm zusammenliefen und sich inmitten toter und sterbender Pannionier hinkauerten.
Armbrüste schnalzten in den Händen der vielleicht ein Dutzend Brückenverbrenner, die eine besaßen.
Schreie gellten.
Mit Trotter an der Spitze erreichten die Brückenverbrenner den mit Leichen übersäten Pfad, rannten an den hingekauerten Sappeuren vorbei, die die größeren Knaller bereitmachten. Zwei Tropfen Säure auf den Wachspfropfen, der das Loch in der Tongranate versiegelte.
Ein Chor gedämpfter, zischender Geräusche.
»Lauft!«
Paran fluchte. Zehn Herzschläge schienen ihm plötzlich schrecklich kurz. Knaller waren große Sprengbomben, die größten, die die Moranth herstellten. Ein einziger konnte eine Straßenkreuzung praktisch unpassierbar machen. Der Hauptmann rannte.
Ihm blieb beinahe das Herz stehen, als er den Blick auf das Tor direkt vor ihm richtete. Die tausend Leichen bewegten sich. Oh verdammt. Die sind gar nicht tot. Die haben geschlafen! Diese verdammten Bastarde haben nur geschlafen!
»Runter, runter, runter!«
Das Wort war malazanisch, und die Stimme gehörte Igel.
Paran zögerte gerade lange genug, um mitzubekommen, wie Spindel, Igel und die anderen Sappeure bei ihnen ankamen – und Knaller warfen. Nach vorn. Mitten hinein in die Reihen der Tenescowri, die sich zwischen den Brückenverbrennern und dem Tor sammelten. Dann warfen sie sich zu Boden.
»Oh, beim Vermummten!« Der Hauptmann ließ sich seinerseits fallen, schlitterte über kiesigen Schlamm, ließ den Schwertgriff los und presste beide Hände auf die Ohren.
Der Erdboden schlug ihm den Atem aus der Lunge, warf seine Beine in die Luft. Er fiel zurück in den Schlamm. Auf den Rücken. Er hatte gerade noch Zeit, wenigstens zu versuchen, sich wieder herumzurollen, ehe die Knaller direkt vor ihm explodierten. Die Erschütterung schleuderte ihn in einem Purzelbaum herum. Blutige Fetzen regneten auf ihn herab.
Etwas Großes krachte knapp neben Parans Kopf auf den Boden. Er öffnete blinzelnd die Augen. Und sah die Hüften eines Mannes – nur die Hüften, die Höhlung, in die eigentlich die Eingeweide gehörten, gähnte schwarz und leer. Oberschenkel waren ebenfalls keine vorhanden, sie waren an den Gelenken abgerissen worden. Der Hauptmann starrte das Stück Mensch an.
In seinen Ohren dröhnte es. Er spürte, wie ihm Blut aus der Nase tröpfelte. Sein Brustkorb schmerzte. Ferne Schreie heulten durch die Nacht.
Eine Hand packte ihn am Regenumhang, zog ihn hoch.
Fäustel. Der Heiler beugte sich zu ihm herab und drückte ihm sein Schwert in die Hand, rief dann Worte, die Paran kaum hörte. »Kommt! Wir machen alle, dass wir wegkommen, beim Vermummten!« Ein Stoß ließ den Hauptmann vorwärtsstolpern.
Seine Augen sahen die Verwüstung, die sich beiderseits des Pfads erstreckte, auf dem sie jetzt auf das Nordtor zurannten, aber sein Verstand war nicht in der Lage, sie zu erfassen. Er spürte, wie er sich innerlich abschottete, noch während er durch die menschlichen Überreste schlitterte und stolperte … dass er sich verschloss, wie er es schon einmal gemacht hatte, vor einigen Jahren, auf einer Straße in Itko Kan.
Die Hand der Rache blieb nicht für immer kalt. Jeder, der noch einen winzigen Funken Menschlichkeit besaß, musste sehen, dass auch die Taten der Retter entsetzlich waren – egal, wie gerechtfertigt sie auf den ersten Blick auch sein mochten. Leere Gesichter, im Tod erstarrt. Leiber, die so verdreht und verkrümmt waren, wie es
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