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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
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in die Stadt eingedrungen, hielten in einigem Abstand wie stumme Geister mit ihnen Schritt. Ein paar Hundert, nicht mehr. Schlecht bewaffnet. Kein Problem. Trotter zuckte bei diesen Neuigkeiten nur die Schultern.
    Sie kämpften sich die weiche Rampe aus menschlichem Fleisch hinauf.
    Sieh nicht nach unten. Denk nicht darüber nach, was unter deinen Füßen ist. Denk einfach nur an die Verteidiger, die weitergekämpft haben müssen. Denk an schier unmenschlichen Mut, der jede Grenze überschreitet, die uns Sterblichen normalerweise gesetzt ist. Denk an die Grauen Schwerter – diese leblosen, uniformierten Leichen auf den Türschwellen, in den Straßenmündungen. Die weitergekämpft haben und immer weiter. Die nicht zurückgewichen sind. Die in Stücke gehauen wurden, wo sie gestanden haben.
    Diese Soldaten beschämen uns alle. Eine Lektion … für die Brückenverbrenner um mich herum. Für diese zerbrechliche Kompanie, deren Herz schon lang gebrochen ist. Wir sind zu einem Krieg gekommen, in dem es keine Gnade gibt.
    Die Rampe war errichtet worden. Sie war mit Absicht hergestellt worden. Sie war ein Zugang. Aber wozu?
    Sie endete in einem wirren, übereinander geworfenen Haufen, der nicht einmal eine Mannslänge unterhalb des Dachs einer Mietskaserne lag. Dieser gegenüber hatte ein ganz ähnliches Gebäude gestanden, doch das war durch ein Feuer in einen rauchenden Trümmerhaufen verwandelt worden.
    Trotter blieb am Rand der Rampe stehen. Die anderen taten es ihm nach, kauerten sich hin, schauten sich um, versuchten die Bedeutung dessen, was sie sahen, zu begreifen. Das unregelmäßige Ende enthüllte die Wahrheit: Unter diesem schrecklichen Gebilde befand sich kein wie auch immer gearteter Unterbau. Es bestand tatsächlich aus nichts anderem als aus Leichen.
    »Eine Belagerungsrampe«, sagte Spindel schließlich. Seine Stimme war leise, fast zaghaft. »Sie wollten irgendjemanden – «
    »Sie wollten uns«, ließ sich eine tiefe, grollende Stimme über ihnen vernehmen.
    Armbrüste ruckten hoch.
    Paran schaute zum Dach der Mietskaserne hinauf. Ein Dutzend Gestalten standen an seinem Rand, von fernem Feuerschein schwach beleuchtet.
    »Sie haben Leitern gebracht«, sagte die Stimme jetzt auf Daru. »Wir haben sie trotzdem zurückgeschlagen.«
    Diese Krieger waren keine Grauen Schwerter. Sie trugen Rüstungen, doch diese Rüstungen waren aus allen möglichen und unmöglichen Einzelteilen zusammengestückelt. Und bei allen waren die Gesichter und die sichtbare bloße Haut mit dunklen, schmalen Streifen verschmiert. Wie menschliche Tiger.
    »Hübsche Bemalung«, rief Igel nach oben. Er sprach ebenfalls Daru. »Hab mir vor Angst fast in die Hosen geschissen, das steht mal fest.«
    Der Sprecher, groß und ungeschlacht, mit knochenweißen, schwarzzackigen Macheten in den gepanzerten Fäusten, legte den Kopf schief. »Das ist keine Bemalung, Malazaner.«
    Stille.
    Dann winkte der Mann mit einer seiner Klingen. »Kommt herauf, wenn ihr wollt.«
    Leitern wurden vom Dach heruntergelassen.
    Trotter zögerte. Paran trat zu ihm. »Ich glaube, wir sollten da hoch. Dieser Mann und seine Gefolgsleute haben etwas an sich – «
    Der Barghast schnaubte. »Ach – tatsächlich?« Er winkte die Brückenverbrenner zu den Leitern.
    Paran sah zu, wie sie hinaufstiegen; er hatte beschlossen, als Letzter zu gehen. Er bemerkte, dass Tippa zurückblieb. »Gibt’s ein Problem, Korporal?«
    Sie zuckte zusammen, massierte ihren rechten Arm.
    »Du hast Schmerzen«, sagte der Hauptmann, trat zu ihr und musterte ihr verzerrtes Gesicht. »Bist du verwundet worden? Komm, lass uns zu Fäustel gehen.«
    »Der kann mir nicht helfen, Hauptmann. Macht Euch um mich keine Gedanken.«
    Ich weiß genau, wie du dich fühlst. »Dann rauf mit dir.«
    Korporal Tippa marschierte zur nächsten Leiter, als würde sie zum Galgen geführt.
    Paran warf einen Blick die Rampe hinunter. An ihrem Fuß huschten geisterhafte Gestalten durch das Zwielicht. Weit außerhalb der Reichweite jedes Geschosses. Vielleicht gar nicht willens, den Hang heraufzusteigen. Das überraschte den Hauptmann nicht.
    Ohne die stechenden Schmerzen in seinem Magen zu beachten, machte er sich daran, die Leiter hochzusteigen.
    Das flache Dach der Mietskaserne sah aus wie eine kleine Barackensiedlung. Aufgespannte Planen und Zelte, umgedrehte Schilde, in denen Feuer flackerten. Proviantbündel, Fässchen mit Wasser und Wein. Eine Reihe von in Decken gehüllten Gestalten – die Gefallenen, insgesamt

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