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SdG 07 - Das Haus der Ketten

SdG 07 - Das Haus der Ketten

Titel: SdG 07 - Das Haus der Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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vor Überraschung wie erstarrt. Also gut, ich verstehe die Frauen eben einfach nicht.
    Er sah noch einmal zum Kommandozelt hinüber, gerade rechtzeitig, um die Mandata heraustreten zu sehen, die noch damit beschäftigt war, die Riemen ihrer Handschuhe festzuziehen. Sie trug ihren Helm, die Wangenschützer vorgeklappt. Doch kein Visier bedeckte ihre Augen – viele Kämpfer waren der Ansicht, dass es ihr Blickfeld zu sehr einschränkte. Er beobachtete, wie sie einen Moment stehen blieb und den Blick kurz zum Himmel hob, bevor sie weiterging.
    Er ließ ihr einen gewissen Vorsprung und folgte ihr.
     
    L’oric kämpfte sich durch die wirbelnden Schatten; er wurde von skelettartigen Zweigen zerkratzt und stolperte über knorrige Wurzeln. Das hatte er nicht erwartet. Es musste einen Pfad, einen Weg durch diesen Schwarzholz-Wald geben.
    Die verdammte Göttin war hier. Ganz in der Nähe. Sie musste es sein – wenn er nur den verdammten Pfad finden könnte.
    Die Luft war feucht und kalt, die Baumstämme neigten sich in diese und jene Richtung, als ob erst vor kurzem ein Erdbeben den Boden erschüttert hätte. Holz knarrte über seinem Kopf in einer durch die Wipfel streichenden Brise. Und überall flatterten Gespenster, verlorene Schatten, drängten sich an den Hohemagier heran und schossen dann wieder davon. Sie stiegen wie Geister von dem Humus auf, zischten über seinen Kopf hinweg, während er weiterstolperte.
    Und dann schimmerte flackernder Feuerschein durch die Bäume.
    Keuchend rannte L’oric darauf zu.
    Sie war es. Und die Flammen bestätigten seinen Verdacht. Eine Imass, die die Ketten von Teilann hinter sich herzieht; das Ritual ist zerbrochen – oh, sie gehört nicht hierher, sie gehört ganz und gar nicht hierher.
    Unterweltliche Geister schwärmten um ihren brennenden Körper herum, die Zuwächse an Macht, die sie in Hunderttausenden von Jahren angehäuft hatte. Hass und Missgunst hatten sie alle zu boshaften, grausamen Kreaturen verzerrt.
    Sumpfwasser und Schimmel hatten die Gliedmaßen der Imass geschwärzt. Moos bedeckte ihren Oberkörper wie baumelndes, verknotetes Fell. Die verfilzten grauen Haare hingen in Strähnen herunter, mit Kletten durchsetzt. Aus ihren verbrannten Augenhöhlen loderten lebende Flammen. Ihre Wangenknochen waren weiß und von der Hitze unzählige Male geborsten.
    Zahnlos, mit hängendem schweren Unterkiefer – den faulende Sehnen und mitgenommene Muskeln kaum noch an Ort und Stelle halten konnten.
    Die Göttin wehklagte, stieß einen schwankenden, unheimlichen Schrei aus, der nie von Atemholen unterbrochen wurde, und es schien L’oric, als kämpfte sie.
    Er ging näher heran.
    Sie war in ein Netz aus Weinreben gestolpert, die verflochtenen Ranken wickelten sich um ihre Arme und Beine, wanden sich wie Schlangen um ihren Oberkörper und ihren Hals. Er wunderte sich, dass er sie nicht schon früher gesehen hatte, doch dann wurde ihm klar, dass sie flackerten … dass sie einen Augenblick da waren und im nächsten wieder fort – wobei ihre Wirksamkeit durch ihr rhythmisches Verschwinden nicht im Geringsten beeinträchtigt wurde – und dass sie sich verwandelten …
    In Ketten.
    Plötzlich riss eine dieser Ketten. Die Göttin heulte auf, verdoppelte ihre Anstrengungen.
    Noch eine Kette riss, schnellte zurück und krachte gegen einen Baum.
    L’oric schob sich vorwärts. »Göttin! Hör mir zu! Sha’ik –  sie ist nicht stark genug für dich!«
    »Mein – mein – mein Kind! Meins! Ich habe sie dieser Hexe gestohlen! Meins!«
    Der Hohemagier runzelte die Stirn. Wem? Was für einer Hexe?
    »Göttin, hör mir bitte zu! Ich biete mich an ihrer Stelle an! Verstehst du?«
    Noch eine Kette brach.
    Und direkt hinter L’oric erklang leise eine Stimme. »Lästiger Bastard.«
    Er wirbelte herum, doch es war zu spät, denn ein Messer mit breiter Klinge wurde ihm tief zwischen die Rippen gerammt, bahnte sich einen blutigen Pfad zu seinem Herzen.
    Oder an die Stelle, wo sein Herz gewesen wäre, wäre L’oric ein Mensch gewesen.
    Die gezackte Klinge verfehlte das Herz, glitt an dem tief sitzenden Organ vorbei und bohrte sich seitlich in das Brustbein.
    L’oric stöhnte auf und sackte zusammen.
    Der Angreifer zog sein Messer aus der Wunde, hockte sich hin, packte L’oric am Kinn und zog seinen Kopf nach hinten, entblößte so die Kehle und -
    »Das ist jetzt unwichtig, du Narr!«, zischte eine andere Stimme. »Sie sprengt die Ketten!«
    L’oric sah, wie der Mann zögerte, dann etwas vor

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