SdG 07 - Das Haus der Ketten
wenn sie mich anschauen, dann sehen sie eine Schwindlerin – ich erkenne das sehr wohl, also versuche gar nicht erst, es mir auszureden.«
»Und was ist mit mir?«, fragte Heboric.
»Ach, Geisterhand, jetzt kommen wir zum entscheidenden Punkt, nicht wahr? Also gut, ich werde offen sprechen. Geh nicht fort. Verlass mich nicht, Heboric. Nicht jetzt. Das, was dich heimsucht, kann warten, bis die bevorstehende Schlacht geschlagen ist. Wenn das geschehen ist, werde ich die Macht des Wirbelwinds ausdehnen – bis an die Küste der Otataral-Insel. Innerhalb dieses Gewirrs wird deine Reise praktisch mühelos sein. Ich fürchte, du wirst, wenn du dich – halsstarrig, wie du bist – anders entscheidest, die lange, lange Reise nicht überleben.«
Er schaute sie an, doch alles, was er erkennen konnte, waren ihre verschwommenen Umrisse, wie sie so in ihrer weißen Telaba dastand. »Gibt es irgendetwas, wovon du nichts weißt, Mädchen?«
»Leider viel zu viel, fürchte ich. L’oric zum Beispiel. Da hätten wir ein echtes Geheimnis. Er scheint in der Lage zu sein, sogar die Ältere Magie des Wirbelwinds abzuwehren, und entzieht sich so meinen Bemühungen, seine Seele zu erkennen. Doch dir hat er, wie ich glaube, vieles offenbart.«
»Im Vertrauen, Erwählte. Es tut mir Leid. Alles, was ich dir in dieser Hinsicht bieten kann, ist dies: L’oric ist nicht dein Feind.«
»Nun, das bedeutet mir mehr, als dir vielleicht selbst klar ist. Er ist nicht mein Feind. Macht ihn das zu meinem Verbündeten?«
Heboric sagte nichts.
Nach einem kurzen Moment seufzte Sha’ik. »Also gut. Er bleibt also ein Geheimnis, was die wichtigste aller Detailfragen angeht. Was kannst du mir darüber erzählen, wie Bidithal dabei vorankommt, Rashan – sein altes Gewirr – zu erforschen?«
Er neigte den Kopf. »Nun, die Antwort auf diese Frage, Erwählte, hängt zumindest teilweise von deinem eigenen Wissen ab. Über das Gewirr der Göttin – über das Bruchstück des Älteren Gewirrs, aus dem der Wirbelwind besteht.«
»Kurald Emurlahn.«
Er nickte. »In der Tat. Und was weißt du von den Ereignissen, in deren Verlauf es in Stücke gerissen wurde?«
»Wenig – nur, dass seine wahren Herrscher zu existieren aufgehört hatten und es deshalb verwundbar wurde. Wirklich von Bedeutung ist allerdings dies: Der Wirbelwind ist das größte Bruchstück in dieser Sphäre. Und seine Macht wächst. Bidithal sieht sich als sein erster – und vorletzter – Hohepriester. Was er nicht versteht, ist, dass es ein solches Amt gar nicht gibt. Ich bin die Hohepriesterin. Ich bin die Erwählte. Ich bin die einzige sterbliche Manifestation der Göttin des Wirbelwinds. Bidithal würde Rashan mit dem Wirbelwind umhüllen, oder umgekehrt den Wirbelwind benutzen, um den Schatten von seinen falschen Herrschern zu säubern.« Sie machte eine Pause und Heboric spürte, dass sie die Schultern zuckte. »Diese falschen Herrscher haben einst das malazanische Imperium beherrscht. Also. Wir sind alle hier, bereiten uns auf eine einzigartige Konfrontation vor. Doch jeder von uns verspricht sich von dieser Schlacht etwas anderes. Die Herausforderung besteht also darin, all diese höchst unterschiedlichen Motive zu einer einzigen, gemeinsam triumphierenden Wirkung zu bündeln.«
»Das«, schnaubte Heboric, »ist allerdings eine Herausforderung, Mädchen.«
»Und deshalb brauche ich dich, Geisterhand. Ich brauche das Geheimnis, das du besitzt – «
»Von L’oric kann ich nichts erzählen – «
»Doch nicht das Geheimnis, alter Mann. Nein, das Geheimnis, um das es mir geht, liegt in deinen Händen.«
Er schreckte zusammen. »In meinen Händen?«
»Dieser Riese aus Jade, den du berührt hast – er macht die Wirkung von Otataral zunichte. Er zerstört es. Ich muss herausfinden, wie. Ich brauche ein Gegenmittel gegen Otataral, Heboric.«
»Aber Kurald Emurlahn ist ein Älteres Gewirr, Sha’ik. Das Schwert der Mandata – «
»Wird den Vorteil auslöschen, den meine Hohemagier mir verschaffen. Denk nach! Sie weiß, dass sie mit ihrem Schwert nichts gegen den Wirbelwind ausrichten kann … daher wird sie es nicht einmal versuchen! Nein, stattdessen wird sie meine Hohemagier herausfordern. Sie vom Schlachtfeld entfernen. Sie wird versuchen, mich zu isolieren – «
»Aber was spielt das für eine Rolle, wenn sie den Wirbelwind nicht besiegen kann?«
»Eine große – weil der Wirbelwind seinerseits sie nicht besiegen kann!«
Heboric schwieg. Davon hatte er noch nie
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