SdG 07 - Das Haus der Ketten
eingesunkene, gebänderte Sandstein-Tafelberge emporragten. Auf der gegenüberliegenden Seite des Tals – fünftausend oder mehr Schritt entfernt – befand sich eine steile Klippe aus rostbraunem Felsgestein.
Karsa konnte sich nicht vorstellen, welche Naturkräfte eine solche Landschaft geschaffen haben könnten. Die Tafelberge dort unten waren Kinder der Erosion – als ob Wasserfluten das Tal entlanggeschwappt wären oder vielleicht auch heftige Winde durch die Schluchten getobt hätten; Letzteres wäre weniger dramatisch gewesen, dafür hätte es weitaus länger gedauert. Vielleicht hatte sich das ganze Tal einst auch auf gleicher Höhe mit den umgebenden Hügeln befunden, und dann war irgendein darunter liegender unterirdischer Hohlraum eingestürzt. Das verfallene, zutage getretene Gestein deutete darauf hin, dass in diesem Gebiet etwas versickert war.
Er kletterte den steilen Abhang hinunter.
Und stellte schnell fest, dass er voller Höhlen und Gruben war. Minen, wenn der Abraum aus Geröll, der sich vor den Öffnungen fächerförmig ausbreitete, irgendein Hinweis war. Aber hier war kein Zinn oder Kupfer abgebaut worden, sondern Feuerstein. Große Adern des glasartigen, braunen Materials zogen sich offen sichtbar wie grobe Wunden durch die Hügelflanke.
Karsa kniff die Augen zusammen und musterte die vor ihm liegenden Tafelberge. Die Streifen im Sandstein waren alle ziemlich schräg, allerdings nicht im gleichen Winkel. Die Kuppen der Berge waren keine flachen Plateaus, wie man es hätte erwarten können; ganz im Gegenteil waren sie gezackt und gebrochen. Der Boden des Tals selbst – so weit er ihn zwischen den flachen Tafelbergen sehen konnte – schien aus scharfkantigen Kieselsteinen zu bestehen. Gesteinssplitter aus den Minen.
In diesem einen Tal hätte eine ganze Armee ihre Steinwaffen herstellen können …
Und die Feuersteinvorkommen an diesem Ort waren alles andere als erschöpft.
Bairoth Gilds Stimme erfüllte seinen Kopf. »Karsa Orlong, du umkreist die Wahrheit wie ein einsamer Wolf einen Elchbullen umkreist.«
Karsas einzige Antwort bestand in einem Grunzen. In der Klippe auf der gegenüberliegenden Seite konnte er noch mehr Höhlen sehen, die in die steile Felswand geschlagen worden waren. Als er die im Schatten liegende Talsohle erreichte, marschierte er auf diese Höhlen zu. Die Kiesschicht unter seinen Füßen war dick, und die Steinchen rutschten auf tückische Weise weg; ihre scharfen Kanten zerfetzten die Ledersohlen seiner Mokassins. Die Luft roch nach Kalksteinstaub.
Er näherte sich der Öffnung einer großen Höhle, die sich etwa in Höhe des ersten Drittels der Gesamthöhe der Klippe befand. Ein breiter Hang aus Geröll reichte fast bis zu ihr hinauf; die Steine bewegten sich bedenklich unter dem Teblor, während er nach oben krabbelte, doch schließlich schaffte er es, sich auf den unebenen Boden zu ziehen.
Da die Klippe nach Nordosten wies und die Sonne bereits den Horizont berührte, gab es in der Höhle kein natürliches Licht mehr. Der Teblor stellte seinen Packsack ab und holte eine kleine Laterne hervor.
Die Wände bestanden aus kalziniertem Kalkstein, geschwärzt vom Rauch unzähliger Holzfeuer, das Dach war hoch und annähernd kuppelförmig. Zehn Schritt weiter innen verengten sich Decke, Wände und Fußboden rasch zu einem schmalen Durchgang. Karsa duckte sich und kroch durch den Engpass.
Dahinter lag eine riesige Höhle. An der gegenüberliegenden Wand befand sich eine monolithisch vorstehende, im düsteren Licht kaum zu erkennende Säule aus reinem, festen Feuerstein, die fast bis zur Decke reichte. Tiefe Nischen waren in die umliegenden Wände gegraben worden. Durch einen Spalt über dem Mittelpunkt des aus dem Berg gehauenen Saals strömte das graue Licht der Dämmerung von draußen herein. Direkt darunter war ein Sandhaufen, und aus diesem Erdhügel wuchs ein knotiger, verdrehter Baum – ein Guldindha, der dem Teblor gerade bis ans Knie reichte und dessen Blätter ein tieferes Grün aufwiesen, als es normalerweise üblich war.
Dass das Tageslicht bis in eine Tiefe von zwei Dritteln der Klippe hinabreichen konnte, war an sich schon ein Wunder … aber dieser Baum …
Karsa schritt zu einer der Nischen und hielt die Laterne hinein. Dahinter lag eine weitere Höhle. Sie war voller Feuersteinwaffen. Einige waren zerbrochen, doch die meisten waren noch ganz. Schwerter und doppelklingige Äxte mit Knochenschäften bedeckten zu Hunderten und Aberhunderten den
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