SdG 07 - Das Haus der Ketten
Halbblut ist. Ich bin eine Jaghut, keine Jhag.«
Sie lag mit ausgebreiteten Armen in einem Ring aus faustgroßen Steinen. Auf ihrer Brust ruhte ein größerer Stein, von dem Hitzewellen aufstiegen. Die Luft in dem Zimmer war eine wirbelnde Mischung aus Dampf und schwebendem Frost.
»Du bist gefangen in magischen Energien. Die Armee hat dich gesucht, aber die Krieger haben dich nicht getötet.«
»Sie konnten mich nicht töten, genauer gesagt. Auf jeden Fall nicht sofort. Aber irgendwann wird dieses Tellann-Ritual diesen Kern von Omtose Phellack endlich vernichten, was wiederum den Tod der Jhag-Odhan bedeuten wird – schon jetzt kriecht der im Norden angrenzende Wald auf die Ebene hinaus, während im Süden die Wüste immer mehr von der Odhan beansprucht, die einst mein Zuhause war.«
»Deine Zuflucht.« Sie verzog ihr Gesicht zu etwas, das wohl ein Lächeln sein sollte, und bleckte die Hauer. »Bei den Jaghut ist das jetzt ein und dasselbe, Thelomen Toblakai.«
Karsa blickte sich um, musterte die zertrümmerte Einrichtung. Er sah keine Waffen, und diese Frau trug auch keine Rüstung. »Wenn dieser Kern von Omtose Phellack stirbt, dann wirst doch auch du sterben, oder? Und doch hast du nur von der Jhag-Odhan gesprochen. Als ob dein eigener Tod weniger von Bedeutung wäre als der Tod dieses Landes.«
»Er ist weniger von Bedeutung. In der Jhag-Odhan ist die Vergangenheit noch immer lebendig. Nicht nur in meinen gefallenen Verwandten, den Jhag – den wenigen, die es geschafft haben, den Logros T’lan Imass zu entkommen. Es gibt dort alte Tiere, die die baumlosen Lande entlang der Eisfelder durchstreifen. Tiere, die überall sonst ausgestorben sind, meistens durch die Speere der T’lan Imass. Aber in der Jhag-Odhan hat es keine Imass gegeben. Wie du gesagt hast – es war eine Zuflucht.«
»Dort gibt es also Tiere. Auch Jhag-Pferde?«
Er sah, wie ihre fremdartigen Augen sich verengten. Die Pupillen waren senkrecht, umgeben von schimmerndem Perlmuttgrau. »Die Pferde wurden einst als Reittiere gezüchtet. Ja, sie sind in der Odhan verwildert. Doch nur wenige sind noch übrig, denn die Trell kommen aus dem Westen, um sie zu jagen. Jedes Jahr. Sie treiben sie über die Klippen. Wie sie es auch mit vielen anderen Tieren tun.«
»Warum hast du nicht versucht, sie daran zu hindern?«
»Weil ich mich versteckt habe, teurer Krieger.«
»Eine Taktik, die fehlgeschlagen ist.«
»Eine Gruppe von T’lan Imass Kundschaftern hat mich entdeckt. Ich habe die meisten von ihnen vernichtet, aber einer ist entkommen. Von jenem Augenblick an habe ich gewusst, dass ihre Armee irgendwann kommen würde. Zugegeben, sie haben sich Zeit gelassen, aber Zeit ist etwas, das sie mehr als genug haben.«
»Eine Gruppe von Kundschaftern? Wie viele hast du vernichtet?«
»Sieben.«
»Und sind ihre Überreste bei denen, die um den Turm herum verstreut liegen?«
Sie lächelte erneut. »Das nehme ich nicht an, Thelomen Toblakai. Für die T’lan Imass heißt vernichtet zu werden, einen Fehler gemacht zu haben. Und Fehler müssen bestraft werden. Ihre Methoden sind … ausgeklügelt.«
»Aber was ist mit den Kriegern, die da unten liegen, und mit denen um den Turm herum?«
»Sie sind gefallen, aber sie haben keinen Fehler gemacht. Schließlich liege ich hier.«
»Feinde sollten getötet und nicht eingesperrt werden«, knurrte der Teblor.
»Ich würde dieser Einstellung nicht widersprechen«, erwiderte die Jaghut.
»Ich kann nichts Böses an dir spüren.«
»Es ist lange her, seit ich dieses Wort zuletzt gehört habe. Selbst in den Kriegen mit den T’lan Imass hatte es keinen Platz.«
»Ich kann Ungerechtigkeit nicht einfach so hinnehmen«, knurrte er.
»Wie du willst.«
»Der Drang ist so groß, dass er alle Vorsicht beiseite schiebt. Delum Thord würde lächeln.«
»Wer ist Delum Thord?«
Ohne zu antworten, schnallte Karsa seinen Packsack los und warf seinen Bärenfellumhang ab; dann trat er zu dem Ring aus Steinen.
»Komm nicht näher, Krieger«, zischte die Jaghut. »Dies ist Hoch-Tellann-Magie – «
»Und ich bin Karsa Orlong von den Teblor«, sagte der Krieger. Er trat gegen den am nächsten liegenden Stein.
Eine sengende Flamme loderte auf und hüllte Karsa ein. Er fauchte und schob sich weiter vorwärts, griff mit beiden Händen nach unten, um den Stein von der Brust der Frau zu heben, und knurrte vor Anstrengung. Die Flammen umwaberten ihn und versuchten, ihm das Fleisch von den Knochen zu brennen, aber sein
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