SdG 07 - Das Haus der Ketten
nicht wie ihr, Urugal. Ich bin nicht ungebunden. Ihr selbst habt mir Ketten angelegt. Mit eigenen Händen habt ihr dafür gesorgt, dass die Seelen derjenigen, die ich erschlagen habe, mich auf ewig verfolgen werden. Ihr habt geformt, was mich heimsucht, Urugal. Mit solch einem Fluch belegt, kann ich niemals ungebunden sein.«
»Es gibt nichtsdestotrotz einen Platz für dich«, sagte Urugal, »im Haus der Ketten.«
»Ja. Den des Ritters der Ketten, des Kämpen des Verkrüppelten Gottes.«
»Du hast viel gelernt, Karsa Orlong.«
Karsa starrte auf seine blutigen Hände hinunter. »Das habe ich, T’lan Imass. Ihr werdet es erleben.«
Kapitel Vier
Wie viele Male, teurer Reisender, wirst du
den gleichen Pfad gehen?
Kayessan
I
m Norden verschleierte der Staub der imperialen Armee den Blick auf die waldbestandenen Hügel von Vathar. Es war später Nachmittag, der heißeste Teil des Tages, da der Wind erstarb und die Felsen eine Hitze ausstrahlten wie die flachen Steine eines Herds. Sergeant Saiten lag unter seinem ockerfarbenen Regenumhang flach auf dem Boden, während er reglos die Landschaft im Südwesten beobachtete. Schweiß rann ihm übers Gesicht und kribbelte in seinem von grauen Strähnen durchzogenen roten Bart.
Nachdem er einige Zeit die vielen berittenen Krieger beobachtet hatte, die hinter ihnen aus der staubigen Odhan aufgetaucht waren, hob er eine behandschuhte Hand und gab ein Zeichen.
Die anderen Mitglieder seines Trupps verließen ihre Deckung und krochen vorsichtig von der Kuppe hinunter. Der Sergeant behielt sie im Auge, bis sie erneut Deckung gefunden hatten, dann glitt auch er aus der Deckung und folgte ihnen.
In den letzten Wochen hatte es immer wieder Scharmützel mit berittenen Angreifern gegeben, die gleich außerhalb von Dojal begonnen hatten, aber auch deutlich hitzigere Zusammenstöße mit Stämmen der Kherahn Dhobri beim Tathimon und beim Sanimon … aber all das war kein Vergleich zu der Armee, die ihnen jetzt folgte. Mindestens dreitausend Krieger eines Stammes, dem sie bisher noch nicht begegnet waren. Zahllose barbarische Standarten erhoben sich über dem Heerhaufen – ausgefranste Wimpel, Geweihe, Hörner und Schädel an der Spitze großer Speere. Unter schwarzen Telabas und Fellen glitzerten schuppige Bronzerüstungen und – sogar noch häufiger – merkwürdig gräuliche Rüstungen, die so beweglich waren, dass sie nur aus Leder sein konnten. Soweit Saiten es aus dieser Entfernung beurteilen konnte, waren die Helme aus Leder und Bronze gut gearbeitet, und viele waren mit Krähenflügeln verziert.
Der Sergeant glitt zu seinem Trupp hinunter. Sie hatten ihren ersten Kampf Mann gegen Mann noch vor sich; bis jetzt bestand ihre gesamte Kampferfahrung darin, Armbrüste abzufeuern und gelegentlich die Formation zu halten. So weit … so gut. Der Sergeant wandte sich an Lächeln. »In Ordnung, es ist entschieden. Steig auf das armselige Pferd da unten, Mädchen, und reite zum Leutnant. Sieht so aus, als ob uns ein Kampf bevorstünde.«
Der Schweiß hatte Rinnen in den Staub gegraben, der ihr Gesicht bedeckte. Sie nickte und krabbelte davon.
»Buddl, geh zu Gesler. Er soll eine Nachricht an Borduke schicken. Ich will mich mit den beiden treffen. Und zwar schnell – bevor die Kundschafter von den Burschen hier sind.«
»In Ordnung, Sergeant.«
Ein paar Herzschläge später holte Saiten seinen Wasserschlauch hervor und reichte ihn Korporal Starr, dann tippte er Krake auf die Schulter, und die beiden Männer machten sich wieder zum Kamm des Hügels auf.
Sie ließen sich Seite an Seite nieder und beobachteten aus ihrem Versteck heraus erneut die Armee.
»Die könnten uns ziemlich übel mitspielen«, murmelte der Sergeant. »Andererseits reiten sie so dicht beieinander, dass ich mich frage …«
Krake gab ein Brummen von sich, die Augen zu Schlitzen zusammengekniffen. »Etwas nagt hier an meinen Knöcheln, Fied. Sie wissen, dass wir in der Nähe sind, aber sie haben keine Kampfformation gebildet. Eigentlich hätten sie sich nicht sehen lassen dürfen, bis es dunkel wird, um dann überraschend und auf breiter Front zuzuschlagen. Und wo sind eigentlich ihre Kundschafter?«
»Nun, die Vorreiter da – «
»Sind schon viel zu nah. Die einheimischen Stämme hier können es besser – «
Plötzlich rasselten ganz in der Nähe Steine; Saiten und Krake wirbelten herum – und sahen links und rechts von sich Reiter den Kamm erklimmen, während
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