SdG 07 - Das Haus der Ketten
hervorragend.«
»Wofür?«
Er warf ihr einen giftigen Blick zu. »Natürlich für ein Ritual, meine Teure. Wir müssen eine Spur finden, eine magische Spur, und sie ist alt. Habt Ihr Euch etwa vorgestellt, wir würden einfach ziellos durch dieses Ödland wandern und darauf hoffen, zufällig auf etwas zu stoßen?«
»Merkwürdig. Ich dachte, genau das würden wir schon seit Tagen tun.«
»Ich wollte nur ein bisschen Abstand zwischen uns und diesen verdammten Imass bringen«, erwiderte er, während er zu einer flachen Steinplatte ging und die darauf herumliegenden Geröllbrocken wegzukicken begann. »Ich konnte die ganze Zeit, während wir das Tal durchquert haben, die Blicke seiner unmenschlichen Augen spüren.«
»Seine und die der Geier, stimmt.« Sie legte den Kopf in den Nacken und betrachtete den wolkenlosen Himmel. »Sie sind tatsächlich immer da. Verdammte Vögel. Na, ist ja auch nicht überraschend. Wir haben fast kein Wasser mehr, und noch weniger zu essen. In ein oder zwei Tagen werden wir in ernsten Schwierigkeiten stecken.«
»Solch weltliche Sorgen werde ich Euch überlassen, Lostara.«
»Was bedeutet, wenn alles andere schief geht, könnt Ihr immer noch mich töten und essen, richtig? Aber was, wenn ich mich entschließen sollte, Euch zuerst zu töten? So besessen von weltlichen Sorgen, wie ich bin.«
Perl ließ sich im Schneidersitz nieder. »Es ist hier deutlich kühler geworden, meint Ihr nicht auch? Ein örtlich begrenztes Phänomen, wie ich vermute. Obwohl ich mir vorstellen könnte, dass ein gewisses Maß an Erfolg bei dem Ritual, das ich gleich durchführen werde, die Dinge etwas aufheizen sollte.«
»Und wenn nur durch die Aufregung des Unglaubens«, murmelte Lostara und ging hinüber zur Kante des Tels, von wo aus sie nach Südwesten blickte – dorthin, wo sich die rote Mauer des Wirbelwinds wie eine geschwungene Wunde quer durch die Wüste zog. Hinter ihrem Rücken hörte sie gedämpfte Worte in einer Sprache, die ihr unbekannt war. Wahrscheinlich ist das eh alles nur Getue. Ich habe genügend Magier bei der Arbeit gesehen, um zu wissen, dass sie keine Worte brauchen … es sei denn, sie ziehen eine Schau ab. Und genau das tat Perl wahrscheinlich gerade. Er liebte Posen, auch wenn er so tat, als sei ihm sein Publikum – das im Augenblick nur aus einer einzigen Person bestand – gleichgültig. Ein Mann, der seinen Namen gern in dicken Geschichtsbüchern wiederfinden würde. Der gern eine entscheidende Rolle spielen würde, von der das Schicksal des Imperiums abhängt.
Sie drehte sich um, als er sich den Staub von den Händen klopfte, und sah, dass er sich erhob. Ein beunruhigtes Stirnrunzeln verunstaltete sein allzu gut aussehendes Gesicht.
»Das hat ja nicht lange gedauert«, sagte sie.
»Nein.« Er wirkte selbst überrascht. »Ich hatte tatsächlich Glück. Ein hiesiger Erdgeist wurde getötet … ganz in der Nähe. Er ist nur zufällig zum Opfer geworden – einfach, weil sich an diesem Ort schreckliche Schicksale gekreuzt haben. Sein Geist treibt sich noch immer hier herum, wie ein Kind, das seine verlorenen Eltern sucht, und spricht zu jedem Fremden, der zufällig vorbeikommt. Vorausgesetzt, dieser Fremde ist bereit zuzuhören.«
Lostara grunzte. »Na schön – und was hatte er zu sagen?«
»Es hat sich ein schrecklicher Zwischenfall ereignet – nun, der schreckliche Zwischenfall, in dessen Verlauf der Erdgeist getötet wurde – wobei die Einzelheiten, die ich erfahren habe, mich zu dem Schluss gelangen lassen, dass es eine Verbin – «
»Gut«, unterbrach sie ihn. »Geht voraus, wir vergeuden Zeit.«
Er verstummte und blickte sie gekränkt an – es war gut möglich, dass dieser Blick aufrichtig gemeint war. Ich habe ihn gefragt, also hätte ich ihn auch zumindest ausreden lassen sollen.
Eine kurze Handbewegung, und er machte sich daran, die steile, abgestufte Seite des Tels hinabzusteigen.
Sie schulterte ihren Packsack und folgte ihm.
Sobald sie den Fuß des Tels erreicht hatten, führte Perl sie um seine Flanke herum und dann direkt nach Süden, über einen steinigen, ebenen Geländestreifen. Die ausgebleichte Oberfläche warf das Sonnenlicht mit einem grellen Gleißen zurück. Abgesehen von ein paar Ameisen, die über den Boden wuselten, wies dieser verwitterte Landstrich keinerlei Anzeichen von Leben auf. Hier und da lagen kleine Steine in länglichen Haufen zusammen, als würden sie die Uferlinie eines sterbenden Sees kennzeichnen, der zu einer Hand voll
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