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SdG 07 - Das Haus der Ketten

SdG 07 - Das Haus der Ketten

Titel: SdG 07 - Das Haus der Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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mit den Ketten des Wissens beladen dahinzustolpern. Die Strafe war nicht einfach nur, weiterzuleben, sondern mit diesem Wissen weiterzuleben. Es war die einzig mögliche Antwort auf … alles.
    Sie hörte Schritte auf den Tonscherben hinter sich und drehte sich um. Dieses Mal schenkte sie dem Neuankömmling kein freundliches Lächeln. »L’oric. Ich bin erfreut, dass Ihr geruht, meinem Ersuchen nachzukommen – es schien mir schon, als hättet Ihr diese Angewohnheit in letzter Zeit vernachlässigt.« Oh, wie er sich vor mir zu verbergen trachtet, wie seine Geheimnisse ihn nun verfolgen, sieh nur, wie er meinem Blick ausweicht. Ich spüre Kämpfe in seinem Innern. Dinge, die er mir sagen will. Aber er wird nichts sagen. Da habe ich nun all die Macht der Göttin zur Verfügung, und doch kann ich diesen schwer zufassenden Mann nicht in die Enge treiben, kann ihn nicht zwingen, mir sein Wissen zu verraten. Das allein ist mir Warnung genug – er ist nicht das, was er scheint. Er ist kein einfacher Sterblicher …
    »Ich habe mich nicht wohl gefühlt, Erwählte. Selbst die kurze Wegstrecke vom Lager hierher hat mich erschöpft.«
    »Es bekümmert mich, L’oric, wie sehr Ihr Euch aufopfert. Daher will ich ohne Umschweife zur Sache kommen. Heboric hat sich in seinem Zelt verbarrikadiert – er kommt nicht mehr heraus und lässt auch keine Besucher hinein – und das schon seit Wochen.«
    Sein Zusammenzucken war nicht gespielt. »Er verbarrikadiert sich gegen uns alle, Herrin.«
    Sie neigte den Kopf. »Doch Ihr wart der Letzte, mit dem er gesprochen hat. Es war ein ziemlich langes Gespräch – Ihr beide allein in seinem Zelt.«
    »Als ich bei ihm war? Das war das letzte Mal, dass er mit jemandem gesprochen hat?«
    Das war nicht die Reaktion, die sie erwartet hatte. Nun gut. Dann hat sein Geheimnis – wie auch immer es aussehen mag – nichts mit Geisterhand zu tun. »Das war es. Hat er während Eures Gesprächs irgendwie bekümmert gewirkt?«
    »Heboric ist schon lange bekümmert, Herrin.«
    »Warum?«
    Sein Blick flackerte kurz zu ihr – seine Augen waren dabei offener als gewöhnlich –, dann sah er wieder weg. »Wegen der Opfer … die Ihr bringt, Erwählte.«
    Sie blinzelte. »L’oric, ich hatte keine Ahnung, dass mein Sarkasmus Euch so verletzen könnte.«
    »Im Gegensatz zu Euch, Herrin«, erwiderte er ernst, »habe ich keinen Scherz gemacht. Heboric ist bekümmert wegen – «
    »Der Opfer, die ich bringe. Nun, das ist wirklich eigenartig, denn vor meiner … Wiedergeburt hat er nicht allzu viel von mir gehalten. Um welchen Verlust geht es ihm denn genau?«
    »Das kann ich nicht sagen. Ich fürchte, das müsst Ihr ihn selbst fragen.«
    »Dann ist Eure Freundschaft also noch so weit gediehen, dass Ihr Euch einander offenbaren würdet.«
    Darauf erwiderte er nichts. Nun, das kann er auch nicht. Denn damit würde er zugehen, dass er etwas zu gestehen hat.
    Sie wandte den Blick von ihm ab und drehte sich um, betrachtete einmal mehr die Senke, die zum Schlachtfeld werden würde. Ich kann mir vorstellen, wie die Armeen einander in Kampfaufstellung gegenüberstehen, ja. Aber was dann? Wie werden sie bewegt? Was ist möglich, was nicht? Auf solche Fragen hast du keine Antwort, Göttin. Sie sind unter deiner Würde. Deine Macht ist dein Wille, und der ganz allein. Aber, teure Göttin, manchmal reicht der Wille allein nicht aus. »Korbolo Dom ist zufrieden mit diesem zukünftigen … Kampfplatz.«
    »Das überrascht mich nicht, Herrin.«
    Sie warf ihm erneut einen Blick zu. »Warum?«
    Er zuckte die Schultern, und sie beobachtete ihn dabei, wie er nach einer Alternative zu dem suchte, was er eigentlich hatte sagen wollen. »Korbolo Dom möchte, dass Tavore genau das tut, was er geplant hat. Dass sie ihre Streitkräfte hier oder dort und nirgendwo sonst aufstellt. Dass sie einen ganz bestimmten Zug macht. Dort kämpft, wo er möchte, dass sie kämpfen soll. Er erwartet, dass die malazanische Armee hierher marschiert, um sich abschlachten zu lassen, als ob er allein durch seinen Willen Tavore zu einer dummen, törichten Göre machen könnte.« L’oric nickte in Richtung der riesigen Senke. »Er will, dass sie dort kämpft. Er erwartet es. Aber – warum sollte sie das tun?«
    Sie erschauerte unter ihrem Umhang, als ihr Frösteln stärker wurde, warum sollte sie? Korbolos Gewissheit … ist sie nichts als Prahlerei? Geht auch er davon aus, dass manche Dinge genau so sein müssen, wie er will, einfach nur, weil er es so

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