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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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da drüben steht und Pule beobachtet, ist Rind. Er ist ziemlich übermütig, wie du sehen wirst. Das Weibchen, das sich da auf dem Felsen putzt, ist Mape. Du bist zu einem ziemlich günstigen Zeitpunkt angekommen, mein Junge. Schau nur.«
    Der Nestbauer – Pule – zog sich ganz allmählich von dem komplizierten Gebilde am Rand des Grünstreifens zurück; sein schwarzer Schwanz zuckte von einer Seite zur anderen, sein Kopf bewegte sich auf und ab. Fünfzehn Schritte vom Nest entfernt setzte er sich plötzlich hin, verschränkte die Arme und schien angelegentlich den farblosen Himmel zu mustern.
    Das Weibchen – Mape – hörte auf, sich zu putzen, verharrte einen Augenblick und schlenderte dann beiläufig auf das Nest zu.
    Pule wurde ganz starr, auch wenn er sich sichtlich bemühte, weiterhin zum Himmel hochzustarren.
    Als Mape das Nest erreichte, zögerte sie kurz – und griff dann an. Treibholz, Gräser und Zweige flogen in alle Richtungen. Binnen weniger Augenblicke war das Nest in einem Ausbruch wilder Raserei zerstört, und Mape hockte sich in die Überreste und urinierte.
    Ganz in der Nähe wälzte sich Rind auf dem Boden und lachte sich halb tot.
    Pule sackte offensichtlich niedergeschlagen in sich zusammen.
    »Das ist schon so oft passiert, dass ich keine Lust mehr habe, mitzuzählen«, sagte Withal seufzend.
    »Wie kommt es, dass du meine Sprache sprichst?«
    »Ich konnte sie schon vorher ein bisschen, von den Händlern. Mein Herr hat diese Kenntnisse, wie es scheint, verbessert. Ein Geschenk, könnte man sagen; eines aus einer ganzen Reihe von Geschenken, um die ich nicht gebeten habe – um kein einziges davon. Ich fürchte«, fuhr er fort, »du wirst das bald ähnlich sehen, mein Junge. Wir sollten machen, dass wir loskommen.«
    Withal schaute zu, wie der junge Mann sich auf die Beine mühte. »Du bist groß«, bemerkte er, »aber ich habe schon größere gesehen.«
    Erneut zeichneten sich Schmerzen auf dem Gesicht des Jungen ab, und er beugte sich vornüber. Withal trat zu ihm und stützte ihn, ehe er umkippte.
    »Es sind Geisterschmerzen, mein Junge. Geisterschmerzen und Geisterangst. Kämpfe dagegen an.«
    »Nein! Sie sind echt! Sie sind echt, du Scheißkerl!«
    Withal musste sich anstrengen, als der Junge mit seinem vollen Gewicht in seine Arme sank. »Genug jetzt. Es ist gut. Steh auf!«
    »Nein, es ist nicht gut! Ich sterbe!«
    »Hoch jetzt, verdammt noch mal!«
    Ein grobes Schütteln, dann stieß Withal ihn weg.
    Der Junge stolperte, richtete sich langsam auf, atmete tief und rau. Er begann zu zittern. »Es ist so kalt …«
    »Beim Atem des Vermummten, mein Junge, es ist glühend heiß. Und es wird jeden Tag heißer.«
    Die Arme um den Oberkörper geschlungen, betrachtete der junge Mann Withal. »Wie lange … lebst du schon hier?«
    »Länger als es mir lieb ist. Manche Entscheidungen liegen nicht im eigenen Ermessen. Nicht in deinem, nicht in meinem. Komm jetzt, unser Herr verliert sonst die Geduld. Folge mir.«
    Der Junge stolperte hinter ihm her. »Du hast ›unser‹ Herr gesagt.«
    »Habe ich das?«
    »Wo sind meine Kleider? Wo sind meine – nein, ist nicht wichtig –, es schmerzt, sich zu erinnern. Ist nicht wichtig.«
    Sie erreichten den Grasstreifen; verwitterte Gräser zerrten an ihren Beinen, als sie sich auf den Weg ins Landesinnere machten. Die Naechts schlossen sich ihnen an. Sie trotteten und hüpften, johlten und schnaubten, während sie mit ihnen Schritt hielten.
    Zweihundert Schritte voraus kauerte ein zerfetztes Zelt aus verblichener, fleckiger Leinwand auf dem Boden. Dichte graubraune Rauchwolken trieben aus dem weit offen stehenden Eingang, wo der größte Teil der einen Seite zurückgeschlagen worden war, um einen Blick ins Innere freizugeben.
    Wo eine vermummte Gestalt saß.
    »Das ist er?«, fragte der Junge. »Das ist dein Herr? Dann bist du also ein Sklave?«
    »Ich diene ihm«, erwiderte Withal, »aber ich bin nicht sein Eigentum.«
    »Wer ist er?«
    Withal warf einen Blick zurück. »Er ist ein Gott.« Er bemerkte den ungläubigen Gesichtsausdruck des Jungen und lächelte schief. »Einer, der schon bessere Tage gesehen hat.«
    Die Naechts blieben stehen und kauerten sich zu dritt eng aneinander.
    Ein paar letzte Schritte über verwitterten Boden, dann trat Withal zur Seite. »Ich habe ihn am Strand gefunden«, sagte er zu der sitzenden Gestalt, »wenige Augenblicke vor den Echsenmöwen.«
    Die Dunkelheit verbarg die Gesichtszüge des Verkrüppelten Gottes, wie es

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