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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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Mut und Opferbereitschaft gesehen. Was sagst du zu alledem?«
    »Nichts«, erwiderte Withal.
    Abgehacktes Gelächter. »Du fürchtest, mich zu verärgern, ja? Dazu besteht kein Grund. Ich gebe dir die Erlaubnis zu sagen, was du denkst.«
    »Ich habe selbst in einer Menge Gasthäusern gesessen«, sagte Withal, »zusammen mit meinen Kameraden, die Veteranen waren wie ich. Vielleicht waren wir einfach eine erlesene Gruppe, die noch nicht so blind vor lauter Gefühlsduselei war, dass sie einer Zeit des Schreckens und Entsetzens sehnsüchtig nachgetrauert hätte. Haben wir versucht, die Tage unserer Jugend zu verlängern? Nein. Haben wir vom Krieg gesprochen? Nicht, wenn wir es vermeiden konnten, und wir haben uns viel Mühe gegeben, es zu vermeiden.«
    »Warum?«
    »Warum? Weil die Gesichter zurückkommen. Junge Gesichter, eines nach dem anderen. Ein aufflackernder Augenblick des Lebens – und eine Ewigkeit des Todes, da, in unseren Gedanken. Weil Loyalität nichts ist, worüber man spricht, und Ehre ertragen werden muss. Weil Mut überlebt werden muss. Diese Tugenden, Angeketteter, gedeihen im Schweigen.«
    »In der Tat«, krächzte der Gott und beugte sich vor. »Doch wie sie in Friedenszeiten wuchern! Wieder und wieder wird mit ihnen geprahlt, als ob allein die feierliche Verkündigung dem Sprecher eben diese Qualitäten verleihen würde. Lassen sie dich nicht jedes Mal, wenn du sie hörst, zusammenzucken? Drehen sie dir nicht den Magen um, drücken sie dir nicht die Kehle zu? Spürst du nicht, wie sich eine Wut aufbaut …«
    »Doch«, knurrte Withal, »wenn ich höre, wie sie benutzt werden, um ein Volk einmal mehr in den Krieg zu treiben.«
    Der Verkrüppelte Gott schwieg einen Augenblick, dann lehnte er sich zurück und wischte Withals Worte mit einer lässigen Handbewegung beiseite. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf den jungen Krieger. »Ich habe von Frieden als Fluch gesprochen. Ein Gift, das den Geist schwächt. Sag mir, Krieger, hast du Blut vergossen?«
    Der Junge zuckte unter seinen Fellen zusammen. Ein Zittern lief über sein Gesicht. Erst Schmerz – dann Furcht. »Ob ich Blut vergossen habe? Vergossen wurde es, so viel davon – überall. Ich habe nicht – ich kann nicht – oh, Töchter, holt mich …«
    »Aber nein«, zischte der Verkrüppelte Gott, »nicht die Töchter. Ich habe dich geholt. Dich erwählt. Weil dein König mich verraten hat! Dein König hat nach der Macht gehungert, die ich ihm geboten habe, aber nicht, um zu erobern. Nein, er hat einfach nur versucht, sich und sein Volk unangreifbar zu machen.« Missgestaltete Finger krümmten sich zu Fäusten. »Das ist nicht genug!«
    Der Verkrüppelte Gott schien unter seinen zerfetzten Decken von Krämpfen geschüttelt zu werden; er hustete schrecklich.
    Einige Zeit später hörten die abgehackten Geräusche auf. Weitere Samen flogen in die glühenden Kohlen, und noch mehr Rauch stieg auf. »Ich habe dich erwählt, Rhulad Sengar, für mein Geschenk. Erinnerst du dich?«
    Der junge Krieger zitterte; seine Lippen waren merkwürdig blau, und über sein Gesicht zog nacheinander eine ganze Reihe bedeutungsschwerer Gefühle; das letzte schließlich war das nackte Grauen. Er nickte. »Ich bin gestorben.«
    »Nun«, murmelte der Verkrüppelte Gott, »jedes Geschenk hat seinen Preis. In diesem Schwert sind Mächte verborgen, Rhulad Sengar. Unvorstellbare Mächte. Aber sie fügen sich nur widerwillig. Du musst für sie bezahlen. Im Kampf. Mit dem Tod. Nein, in dieser Angelegenheit sollte ich mich präzise ausdrücken. Mit deinem Tod, Rhulad Sengar.«
    Eine Geste, und das fleckige Schwert war in der Hand des Verkrüppelten Gottes. Er schleuderte es vor dem jungen Krieger zu Boden. »Dein erster Tod hat stattgefunden, und als Folge davon haben deine Fähigkeiten – deine Kräfte – zu sprießen begonnen. Doch das ist erst der Anfang. Nimm deine Waffe, Rhulad Sengar. Wird dein nächster Tod für dich leichter zu ertragen sein? Vermutlich nicht. Mit der Zeit, vielleicht …«
    Withal musterte den entsetzten Ausdruck im Gesicht des jungen Kriegers, und sah darunter einen Schimmer von … Ehrgeiz.
    Vermummter, wende dich nicht ab.
    Ein langer, erstarrter Augenblick, in dem Withal den Ehrgeiz wie Flammen in den Augen des Tiste Edur aufflackern sah.
    Oh. Der Verkrüppelte Gott hat gut gewählt. Und du kannst es nicht leugnen, Withal – du steckst da mit drin. Ziemlich tief.
    Eine Rauchwolke stieg auf, wirbelte herum, machte Withal genau in dem Augenblick

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