SdG 08 - Kinder des Schattens
reden nicht viel. Außer einer. Sie sagt, sie würde mich zur Imperatrix machen. Ich wäre gerne Imperatrix.«
»Nun, der würde ich nicht trauen. Das ist nur meine Meinung, Kessel, aber solche Versprechen sind immer verdächtig.«
»Das sagt Shurq auch. Aber sie klingt sehr nett. Sie will mir viele Süßigkeiten und all so was geben.«
»Sei vorsichtig, Schätzchen.«
»Träumst du manchmal von Drachen, Vater?«
»Von Drachen?«
Sie zuckte noch einmal die Schultern und drehte sich um. »Es wird dunkel«, sagte sie über die Schulter. »Ich muss jemanden töten … Vielleicht diesen Künstler …«
Turudal Brizad, der Galan von Königin Janall, lehnte an der Wand, während Brys Beddict mit seinen Schülern ein letztes Mal Gegenangriffe übte.
Es war nicht ungewöhnlich, dass Zuschauer da waren, während er mit der Garde des Königs übte, dennoch war Brys etwas überrascht gewesen, unter ihnen auch Turudal Brizad zu entdecken. Meist waren die Zuschauer nämlich Menschen, die selbst mit den Waffen umzugehen verstanden, die er bei den Übungen einsetzte. Der Galan war für seine Trägheit wohl bekannt, ein Vorrecht, das in den Tagen von Brys’ Großvater bei einem jungen, gesunden Letherii nicht geduldet worden wäre. Damals waren vier Jahre Militärdienst vorgeschrieben gewesen, sobald ein junger Mann das siebzehnte Lebensjahr erreicht hatte. In jenen Tagen hatte es viele Bedrohungen von außen gegeben. Blaurose im Norden, die unabhängigen, aufsässigen Stadtstaaten des Archipels in der Drachensee sowie die verschiedenen Stämme der östlichen Ebenen hatten Lether bedrängt. Letztere waren durch einen der Eroberungsversuche des fernen Kolanse, die sich in gewissen Zeitabständen wiederholten, gegen die Vorposten getrieben worden.
Mittlerweile war Blaurose König Ezgara Diskanar tributpflichtig, die Stadtstaaten waren zermalmt worden – so gründlich, dass heutzutage kaum noch eine Hand voll Ziegenhirten und Fischer auf den Inseln lebten –, und Kolanse war in Folge eines Bürgerkriegs vor ein paar Jahrzehnten nur noch mit sich beschäftigt.
Brys hatte Schwierigkeiten, sich ein Leben als Erwachsener vorzustellen, in dem er im wahrsten Sinne des Wortes unfähig war, sich selbst zu verteidigen, doch genau dies war bei Turudal Brizad der Fall. Tatsächlich hatte der Galan sogar die Meinung vertreten, dass er nichts weiter als ein Vorbote, Wegbereiter einer Zeit war, in der das Soldatspielen ausschließlich Schuldnern und Menschen mit unzulänglichen geistigen Fähigkeiten überlassen würde. Obwohl Brys anfangs – nachdem ihm Brizads Worte zugetragen worden waren – nichts als Spott für diese Idee übrig gehabt hatte, geriet seine Ungläubigkeit allmählich ins Wanken. Das Militär der Letherii war noch immer stark, doch es war zunehmend an wirtschaftliche Gegebenheiten gebunden. Jeder Feldzug bot eine Möglichkeit, Wohlstand zu erlangen. Und von der Zivilbevölkerung, von den Händlern, Kaufleuten und all denen, die den zahllosen Bedürfnissen einer zivilisierten Gesellschaft dienten, machten sich nur noch wenige die Mühe, sich irgendwelchen Kampf- oder Waffenübungen zu unterziehen. Ein Hauch von Verachtung hatte sich in die Blicke gestohlen, mit denen sie Soldaten betrachteten.
Natürlich nur, bis sie uns brauchen. Oder bis sie eine Möglichkeit entdecken, durch unsere Taten Gewinne zu erzielen.
Er beendete die Übung und verweilte dann noch ein wenig, um zu sehen, wer von den Gardisten den Raum verließ und wer auf eigene Faust weitermachte. Die meisten blieben, und Brys war erfreut. Die beiden, die den Raum verlassen hatten, waren – wie er wusste – die Spione der Königin in der Leibwache. Ironischerweise wussten das auch alle anderen.
Brys schob sein Schwert in die Scheide und trat zu Turudal Brizad. »Galan?«
Ein beiläufiges Nicken. »Finadd.«
»Wusstet Ihr nicht, was Ihr mit Euch anfangen sollt? Ich kann mich nicht erinnern, Euch jemals zuvor hier gesehen zu haben.«
»Der Palast wirkt merkwürdig leer, meint Ihr nicht auch?«
»Nun«, wagte Brys zu antworten, »es gibt sicherlich weniger Geschrei.«
Turudal Brizad lächelte. »Der Prinz ist noch jung, Finadd. Da sollte man sich über einen gewissen Überschwang nicht wundern. Der Kanzler würde sich gerne mit Euch unterhalten, wenn es Euch passt. Soweit ich weiß, habt Ihr Euch von Eurer geheimnisvollen schweren Prüfung wieder vollständig erholt?«
»Die Heiler des Königs waren so tüchtig wie immer, Galan. Danke der
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