Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
Vom Netzwerk:
Neid. Was geschieht, wenn Wut an die Stelle der Hilflosigkeit tritt?
    Das Militär füllte sich zunehmend mit jenen aus den untersten Klassen. Die Aussicht auf eine Ausbildung, ein annehmbares Einkommen und einen vollen Bauch sorgten für entsprechende Anreize, doch diese Soldaten waren nicht besonders angetan von der Zivilisation, die zu verteidigen sie geschworen hatten. Sicher, viele traten ins Militär ein, weil sie von Beute träumten, von Reichtum, den man Feinden stehlen konnte, und von möglichem Ruhm. Doch solche Reichtümer gab es nur bei Angriffskriegen – oder genauer gesagt: bei erfolgreich verlaufenden Angriffskriegen. Was würde geschehen, wenn dieses Heer sich plötzlich in einer Verteidigungsposition befand? Sie werden kämpfen, um ihr Zuhause und diejenigen, die sie lieben, zu verteidigen. Natürlich werden sie das. Es gibt nicht den geringsten Grund zur Sorge, oder?
    Er bog in die Gasse ab, die zu Tehols Haus führte, und hörte von irgendwo hinter dem heruntergekommenen Mietshaus einen heftigen Streit. Dinge kamen in einer Kakophonie aus scheppernden Geräuschen, die mit einem schrillen Kreischen endete, von irgendwo oben heruntergeflogen.
    Brys zögerte. Von dieser Gasse aus konnte er die Quelle der Geräusche nicht erreichen, doch von Tehols Dach aus würde er vielleicht einen Blick auf die gegenüberliegende Straße werfen können. Er ging weiter.
    Mit dem Knauf seines Messers klopfte Brys an den Türrahmen. Es kam keine Antwort. Er schob den Vorhang beiseite und spähte ins Innere. Eine einzelne, flackernde Öllampe, ein schwacher Feuerschein vom Herd, und Stimmen, die von oben, vom Dach herunterdrangen.
    Brys trat ein und kletterte die wacklige Leiter hinauf.
    Als er oben auf dem Dach ankam, sah er Tehol und seinen Diener am hinteren Ende stehen. Sie schauten nach unten – wahrscheinlich beobachteten sie den Streit, der noch immer im Gange war.
    »Tehol«, rief Brys und trat näher. »Ist das eine Angelegenheit für die Stadtgarde?«
    Sein Bruder drehte sich um und schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, Bruder. Es kann nur noch wenige Augenblicke dauern, bis die Sache sich erledigt hat. Meinst du nicht auch, Bagg?«
    »Ich glaube schon, denn er ist schon fast draußen und die alte Frau hat gleich nichts mehr, womit sie werfen könnte.«
    Brys trat zu ihnen und schaute nach unten. Ein großer Mann war eifrig damit beschäftigt, sich aus einem Haufen staubigen Gerölls zu winden; er duckte sich immer dann, wenn wieder eines der Geschosse angesegelt kam, die die alte Frau im Türrahmen des Mietshauses nach ihm warf.
    »Was ist passiert?«, fragte Brys.
    »Einer meiner Mitarbeiter ist von diesem Dach hier auf das da drüben gesprungen«, sagte Tehol. »Ich gehe davon aus, dass er sogar ziemlich unauffällig gelandet ist. Doch dann hat leider das Dach nachgegeben. Wie du sehen kannst, ist er ein großer Mann.«
    Der unglückliche Mitarbeiter hatte sich schließlich aus dem Schutthaufen befreit. Es zeigte sich, dass er bei seiner Landung den größten Teil der Wand mit sich gerissen hatte. Es war ein Wunder, dass er unverletzt zu sein schien. »Warum ist er von deinem Dach gesprungen, Tehol?«
    »Er ist herausgefordert worden.«
    »Von dir?«
    »Oh nein, ich würde so etwas niemals tun.«
    »Wer dann? Doch bestimmt nicht dein Diener, oder?«
    »Ich? Ganz gewiss nicht, Finadd«, sprudelte Bagg heraus.
    »Es war ein anderer Gast«, erklärte Tehol. »Der inzwischen gegangen ist, wenn auch nicht besonders weit weg, wie ich vermute. Irgendwo in den Schatten wird sie auf den teuren Ublala warten.«
    »Ublala? Ublala Pung? Oh ja, jetzt erkenne ich ihn. Ein Mitarbeiter? Tehol, der Mann ist ein Verbrecher …«
    »Der seine Unschuld im Kanal bewiesen hat …«
    »Das hatte nichts mit Unschuld zu tun«, gab Brys zurück. »Das war reine Sturheit.«
    »Eine Willenskraft, die der Abtrünnige bestimmt geschwächt hätte, wenn Ublala tatsächlich der Verbrechen schuldig gewesen wäre, derer man ihn angeklagt hat.«
    »Tehol, also wirklich …«
    Sein Bruder blickte ihn mit hochgezogenen Brauen an. »Willst du, ein Soldat des Königs, etwa unser Justizsystem in den Dreck ziehen?«
    »Tehol, der König selbst zieht das Justizsystem in den Dreck.«
    »Nichtsdestotrotz, Brys – ach, mal ganz nebenbei, was tust du eigentlich hier?«
    »Ich bin gekommen, um deinen Rat einzuholen.«
    »Oh. Nun, sollen wir uns in eine etwas abgeschiedenere Ecke meines Dachs zurückziehen? Komm mit – die Ecke dahinten ist

Weitere Kostenlose Bücher