SdG 08 - Kinder des Schattens
besonders großer Fehlschlag war – genau wie sie. Sie alle waren verloren, hier, in dieser kaltherzigen Welt. Er würde sagen wollen – aber nein, Hull Beddict sagte niemals etwas. Zumindest nichts, das von so unerschrockener … Verletzlichkeit war.
Der Tumult hatte Buruk den Bleichen dazu gebracht, den Kopf zu heben, und jetzt blinzelte er mit trüben Augen. »Wer kommt da?«
»Hull Beddict«, antwortete Seren Pedac.
Der Händler leckte sich die Lippen. »Der alte Wächter?«
»Ja. Obwohl ich Euch rate, diesen Titel nicht zu verwenden. Er hat den Pfeil des Königs schon vor langer Zeit zurückgegeben.«
»Und so die Letherii verraten, stimmt.« Buruk lachte. »Der arme, ehrenvolle Narr. Ehre erfordert unehrenhaftes Verhalten – nun, das ist eine amüsante Vorstellung, oder? Habt Ihr jemals einen Eisberg im Meer gesehen? Er kalbt wieder und wieder unter den unaufhörlich nagenden Zähnen des Salzwassers. Einfach so.« Er setzte die Flasche an, und Seren schaute zu, wie sich sein Kehlkopf beim Schlucken bewegte.
»Macht Euch unehrenhaftes Verhalten durstig, Buruk?«
Er setzte die Flasche ab und starrte Seren düster an. Dann ein befreiendes Lächeln. »Ich bin am Verdursten, Freisprecherin. Wie ein Ertrinkender, der Luft schluckt.«
»Nur ist es keine Luft, sondern Wasser.«
Er zuckte die Schultern. »Eine kurzfristige Überraschung.«
»Und dann kommt Ihr darüber hinweg.«
»Ja. Und in jenen letzten Augenblicken schwimmen die Sterne in nie gesehenen Strömungen.«
Hull Beddict hatte sich so gut es ging um die Nerek gekümmert, und jetzt trat er in den Lichtschein. Ein Mann, beinahe so groß wie ein Edur. In den weißen Pelz eines Nordlandwolfs gehüllt, mit einem langen Zopf, der beinahe ebenso hell war. Die Sonne und die Höhenwinde hatten seinem Gesicht den Farbton gegerbten Leders verliehen. Seine Augen waren von einem blassen Grau, und es schien, als wäre der Mann hinter ihnen immer woanders. Und dieser Ort, das wusste Seren Pedac genau, war nicht sein Heim.
Nein, er ist genauso verloren wie sein Fleisch und seine Knochen, wie dieser Körper, der hier vor uns steht. »Gönn dir ein bisschen Wärme, Hull Beddict«, sagte sie.
Er musterte sie auf seine zerstreute Weise – ein scheinbarer Widerspruch, den nur er zustande brachte.
Buruk der Bleiche lachte. »Wozu? Sie wird ihn durch die Pelze niemals erreichen. Habt Ihr Hunger, Beddict? Oder Durst? Nein?
Das habe ich mir gedacht. Wie wäre es mit einer Frau? Ich könnte Euch ein Nerek-Halbblut überlassen – die Schätzchen warten in meinem Wagen.« Er nahm geräuschvoll einen Schluck aus seiner Flasche und streckte sie dem Neuankömmling entgegen. »Etwas hiervon? Gute Güte, er kann seinen Abscheu kaum verbergen.«
Den Blick auf den ehemaligen Wächter gerichtet, fragte Seren: »Bist du den Pass heruntergekommen? Ist der Schnee weg?«
Hull Beddict warf einen Blick zu den Wagen hinüber. Als er antwortete, kamen seine Worte unbeholfen, als wäre es einige Zeit her, seit er das letzte Mal gesprochen hatte. »Es müsste klappen.«
»Wohin gehst du?«
Er blickte sie erneut an. »Mit euch.«
Seren zog die Brauen hoch.
Lachend wedelte Buruk wild mit seiner Flasche – die bis auf ein paar letzte Tropfen, die zischend ins Feuer fielen, leer war. »Oh, Ihr seid in der Tat willkommene Gesellschaft! Auf alle Fälle! Die Nerek werden entzückt sein.« Er stand schwankend auf, torkelte gefährlich nahe am Feuer entlang und stolperte schließlich nach einem letzten Winken auf seinen Wagen zu.
Seren und Hull schauten ihm nach, wie er davonging, und Seren sah, dass die Nerek an ihre Schlafplätze zurückgekehrt waren, doch sie alle saßen noch wach da, und ihre Augen glitzerten im Feuerschein, während sie den früheren Wächter beobachteten, der jetzt näher ans Feuer trat und sich dann langsam hinsetzte. Er streckte arg mitgenommene Hände der Hitze entgegen.
Sie konnten sanfter sein als sie aussahen, erinnerte sich Seren. Die Erinnerung tat allerdings kaum mehr, als längst erloschene Asche aufzuwirbeln. Sie schob ein weiteres Holzscheit in das hungrige Feuer vor ihnen und schaute zu, wie die Funken in die Dunkelheit sprangen.
»Hat er vor, bis zum Großen Treffen Gast der Hiroth zu bleiben?«
Sie warf ihm einen Blick zu und zuckte dann die Schultern. »Ich nehme es an. Bist du deswegen zu dem Entschluss gekommen, uns zu begleiten?«
»Dieses Treffen wird nicht so wie die anderen Verhandlungen werden«, sagte Hull Beddict. »Die Edur sind
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